Das Glücksprojekt
ich mir trotzdem klein vor. Unter den Blicken der zwei perfekt gestylten Verkäuferinnen werde ich noch kleiner. Ich habe das Gefühl, als könnte jeden Moment eine der beiden um den Tresen kommen, mich am Oberarm fassen und hinausgeleiten, weil ich hier nichts verloren habe. Verkäuferinnen erkennen so was. Die scannen einen kurz und können dann eine Hochrechnung der Vermögenssituation in Bezug auf den Grad der Unwahrscheinlichkeit, dass man etwas kaufen wird, anstellen. Entweder sie wuseln dann um einen herum oder, wie in meinem Fall, sie fallen in eine Art Gesichtsstarre und fixieren einen Ort jenseits meines Blickfelds. Was soll ich sagen – die zwei aus dem Tiffany’s-Laden sind Spezialistinnen auf ihrem Gebiet. Sie durchschauen meine Verkleidung sofort. Obwohl ich für ein kleines Vermögen bei ihnen einkaufe, ist es, als müsste ich mich bedanken, dass sie sich die Zeit nehmen, sich mit mir zu beschäftigen.
Als ich das Geschäft mit der kleinen, edlen Tüte verlasse, an deren Seiten jeder den geschwungenen Schriftzug des Ladens lesen kann, fühle ich mich nicht wie eine Prinzessin, sondern wie ein trotziges Kind, das seinen Willen durchgedrückt hat. Ich trage die Kette hin und wieder. Aber jedes Mal, wenn mich jemand darauf anspricht und mir sagt, wie hübsch sie ist, steigt die Erinnerung an die Situation in dem Laden auf und legt sich schal über meinen Besitzerstolz.
Mir etwas kaufen, das ich wirklich brauche und mir nie gegönnt habe
Es gibt Dinge, deren Anschaffung einem das Leben ungemein erleichtern kann, aber dadurch, dass es sich nicht um Herzenswünsche handelt, will man nicht viel Geld dafür ausgeben. Ein Beispiel? Gute Küchenmesser! Ich koche nicht ungern, aber mir fehlt jede Leidenschaft für komplizierte Experimente oder aufwendige Menüfolgen. Ich sehe mir keine Kochsendungen an und ich habe keinen Schuber mit den Jamie-Oliver-Büchern im Regal. Ebenso wenig wird man mich vor den Schaufenstern für Küchengeräte antreffen – es gibt ein paar Töpfe, eine Pfanne und eine Flasche Wein. Vielleicht noch ein Schneidebrett. Damit ist für mich eine Küche perfekt ausgestattet. Die Offenbarung kam in Form von drei neuen Küchenmessern der Marke Zwilling. L. hatte sie in einer Tombola gewonnen, an der er teilnahm, um für irgendeine gute Sache zu spenden. Es gab zu gewinnen:
Eine Sammlung der Kuschelrock -Alben 1–20
Zwei handgearbeitete Sammlerpuppen in Fantasie-Tracht
Drei Küchenmesser von Zwilling
Fragen Sie mich nicht, was das für eine Veranstaltung war, ich habe sie erfolgreich verdrängt. Nur so viel: Die Gewinne 1 und 2 entsprachen vollkommen dem Publikumsgeschmack. L.s Teilnahme an der Verlosung war reine Verzweiflung, er musste auf der Veranstaltung Präsenz zeigen und wollte gleichzeitig nur weg, als Übersprungshandlung nahm er an allem teil, was geboten war. Als er den Hauptgewinn zog, durfte er aus den Gewinnen auswählen. Er sah mich an und fragte so ernst wie möglich: »Liebes, möchtest du zwei handgearbeitete Sammlerpuppen?«
»Nein, danke, dann kotze ich im Strahl«, antwortete ich so freundlich wie möglich und schenkte ihm mein schönstes Lächeln. So kamen die Messer zu uns. Seit ich die Messer zum ersten Mal benützt habe, ist mir absolut schleierhaft, wie ich davor ohne sie leben konnte. Das Schneiden von Zeug ist kein notwendiges Übel mehr, sondern macht Spaß. Es ist so ähnlich wie mit den Bettsocken: Ich freue mich jedes Mal, wenn ich sie benütze. Von solchen Dingen muss es doch noch mehr geben – etwas, das mir das Leben erleichtert und mich täglich erfreut, für das ich nur bisher kein Geld ausgeben wollte oder das mir nicht in den Sinn kam. An dem Abend frage ich L., ob ihm etwas einfällt. »Ein Motorrad der Marke Triumph?« Ich hätte es mir denken können.
Als ich später in meine Bettsocken schlüpfe, denke ich, so etwas Ähnliches müsste es sein. Ich bräuchte eine Ganzkörperbettsocke, die mich tagsüber warm hält, ich bin nämlich schrecklich verfroren. Während der Wintermonate habe ich deswegen immer Nackenschmerzen, weil ich permanent die Schultern nach oben ziehe. Warum macht man das eigentlich? Es wärmt überhaupt nicht! Man kann den Hals nicht zwischen den Schulterblättern verschwinden lassen, es sei denn, man ist eine Schildkröte. Ich mache es trotzdem, es ist ein Automatismus. Auch wenn ich mich warm anziehe und mehrere Schichten trage: Wenn es kalt ist, leide ich. Die Idee mit der Bettsocke für den ganzen Körper hatten schon
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