Das Glücksrezept - O'Neal, B: Glücksrezept - The Lost Recipe for Happiness
gerade erst nachzudenken begonnen hatte.
Ein schwarzhaariger Junge erschien am Rand ihres Blickfelds. Er trug ein graues, etwas zu enges Hemd mit langen Ärmeln und dunkelgraue Hosen, die um seine Knöchel schlackerten. Sie sagte kein Wort, nur ihrer mageren Beine,
die nackt unter dem Saum ihres Kleides hervorstachen, war sie sich mit einem Mal noch deutlicher bewusst als zuvor.
Er blieb stehen und sah sie an. »Hi.«
Elena erwiderte den Blick nicht. Statt Anzugschuhen trug er knöchelhohe Converse-Turnschuhe in Gelb. Seine deutlich hervortretenden Wangenknochen verliehen ihm etwas leicht Bedrohliches.
»Hi«, sagte sie.
»Wie heißt du?«
Sie nannte ihren Namen.
Er hieß Edwin. Er konnte seinen Bruder nicht leiden, der ihn piesackte und drangsalierte, sobald sie allein waren, und ständig ihren Hund quälte. Er war nicht ihr Cousin, und am Ende des Tages hatte er Elena beigebracht, ihn mit diesen tomatenroten Lippen und ihrer Zunge zu küssen, die nach Chili und Sommer schmeckte. Bis es zwischen ihnen zu Ende war – in einer Nacht, fünf Jahre später – sollte er ihr noch viel, viel mehr beibringen.
Elena lag in ihrem Bett in ihrem Apartment in Aspen und schlief ein. Und in ihren Träumen erschien Edwin, wie es manchmal passierte. Sie tanzten einen Twostep auf der Hochzeit von irgendjemandem. Sie war siebzehn und gleichzeitig achtunddreißig. Ihr Rock aus Crinkletaft und das Satinoberteil streiften über sein tadellos gebügeltes Baumwollhemd. Er roch leicht nach Zimt, den er in jeder Variation liebte, in Schokolade, in Zimtbrötchen, im Tee und sogar im Eintopf. Er summte leise zu dem Ranchero-Song, den Elenas Schwester Isobel mit einer Stimme schmetterte, von der neuerdings jeder behauptete, sie bringe sie eines Tages noch nach Los Angeles. Einer ihrer Cousins spielte auf der Gitarre, begleitet von einem alten Mann auf der Trompete, dessen Augen zwar blutunterlaufen vom Alkohol waren, was aber seinen musikalischen Fähigkeiten keinen Abbruch tat.
Edwin strich mit der Hand über Elenas Haar, lässig, langsam, während sie das Gefühl hatte, als befände sie sich mit einem Mal in der fernen Zukunft – sie, als alte Frau, die mit einem gleichermaßen gealterten Edwin auf der Hochzeit eines ihrer Enkelkinder zu diesem Song tanzte.
Sie sah ihre Kinder, wimmernde Winzlinge, seine kräftigen Söhne. Sie sah die Hochzeiten, auf denen sie tanzen würden, in blauen Satinkleidern und schwarzen Anzügen, tief dekolletierten Oberteilen und sorgfältig gebügelten Hosen. Sie fühlte sich leicht, unbeschwert, erfüllt von der Gewissheit, genau dort zu sein, wo sie hingehörte. Er wäre ihr Mann und sie seine Frau bis ans Ende ihrer Tage.
Viele der Mädchen, die sie kannte, machten sich Sorgen, ihr Freund könnte fremdgehen, wenn er zu viel trank, sich herumtreiben, dem Zauber einer anderen Frau verfallen oder sie schlagen. Nicht jedoch Elena. Von diesem ersten Tag an, dem Tag von Donnies Begräbnis, hatte er sie geliebt. Wenn sie ihren Highschool-Abschluss in der Tasche hatte, würden sie heiraten, weil sie sich ein besseres Leben aufbauen wollten. Vielleicht würden sie nach Albuquerque ziehen, wo sie eine eigene Cateringfirma gründen könnte. Edwin war ein moderner Mann. Er wollte, dass sie arbeitete, sie beide, damit sie ihren Kindern einmal mehr bieten konnten, als sie selbst hatten. Doch als sie nun in seinen Armen dahinschwebte, bewahrte sie ihr Geheimnis vor ihm. Das Geheimnis des neuen Lebens, das in ihr heranwuchs. Es würde zwar zur Welt kommen, bevor sie verheiratet waren, aber das spielte keine Rolle.
In ihrem Traum kroch er zu ihr ins Bett, in Aspen, Colorado. Er schmiegte sich an sie, drückte seine Lippen in ihr Haar und flüsterte: »Ich habe dich vermisst.« Er war nackt unter der Decke und schob seine Hände unter ihr altes, hauchdünnes T-Shirt, legte seine kräftigen Handflächen auf
ihre Rippen. Sein nacktes Bein wanderte über ihren Oberschenkel, und Elena drehte sich zu ihm um. Tränen klebten feucht auf ihren Wangen.
Es ist so lange her , flüsterte sie und ließ sich von ihm in die Arme nehmen. Ich habe dich vermisst. Ich habe dich so vermisst.
Es ist wahr, murmelte er in ihr Haar. Sein Atem fühlte sich heiß in ihrem Nacken an. Du und ich, das ist das Einzige, was zählt in unserem Leben. Das Einzige, was wahr ist. Ich liebe dich. Seine Hände wanderten über ihren Körper, hoben ihre Brüste an, ehe er sich vorbeugte und ihre Brust und ihren Hals zu küssen begann. Sein Geschlecht
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