Das Gluehende Grab
dass er das Wichtigste
rausgeschafft, aber sich trotzdem im Nachhinein geärgert
hätte, einige Dinge zurückgelassen zu haben –
uralte Bücher seines Vaters, einen Kompass, Münzen.
Stundenlang hat er gejammert, er hätte diese Dinge in der
Abstellkammer vergessen.«
»Gab es
im Keller eine Abstellkammer?« Falls Magnús diese
Kammer nicht betreten hatte, hätte man die Leichen dort
jederzeit verstecken können.
María
zuckte die Achseln. »Ich hab keine Ahnung. Kann schon sein,
dass sie im Keller war.«
»Hat er
irgendwie ängstlich gewirkt, wenn er ...
–?«
María
schnippte mit den Fingern. »Doch, jetzt weiß
ich’s wieder! Er hat im Zusammenhang mit dem Vulkanausbruch
über den Keller geredet, aber nicht so, wie du es beschreibst.
Das war vor seiner Krankheit und eigentlich nicht weiter
bemerkenswert, aber wenn es stimmt, dann war er damals im
Keller.« María hämmerte rhythmisch mit ihren
hochhackigen Schuhen auf den Boden. »Also, er hat gesagt, er
wäre froh, dass er nicht wie geplant die gesamte Einrichtung
runter in den Keller gebracht hätte, er hätte lediglich
damit angefangen. Dabei hat er gegrinst und über sich selbst
gelacht, weil er den Keller für sicher gehalten hat. Er war
also unten – ist das schlimm?«
»Nein,
nicht wirklich.« Dóra wusste nicht, ob das irgendeine
Bedeutung hatte. Magnús war wahrscheinlich nur kurz im
Keller gewesen, sonst hätte er die Dinge, die ihm wichtig
waren, nicht vergessen. Oder hatte er von den Leichen gewusst und
sich nicht länger als nötig dort aufhalten wollen?
»Glaubst du, er würde sich freuen, wenn er diese
Gegenstände jetzt noch bekäme?«
»Ja,
wenn es bald ist«, antwortete María. »Und wenn
wir einen guten Moment erwischen.« Sie wirkte bedrückt
und ließ den Kopf hängen. »Aber ich weiß es
wirklich nicht.«
Dóra
sagte nichts, dachte sich nur ihren Teil. Der Keller war noch nicht
leergeräumt. Wenn Bella und sie diese Gegenstände dort
finden und dem alten Mann geben würden, bestünde die
Möglichkeit, ihn aus seiner Lethargie zu reißen.
Dóra nahm ihr kleines Notizbuch und einen Stift zur Hand.
»Was hat er nochmal vermisst?« Sie notierte es und
stand auf.
»Leifur
hat mich gebeten, dir diese Unterlagen zu geben«, sagte
María, als sie das Wohnzimmer verließen. »Er hat
sie von dem Archäologen bekommen.« Sie reichte
Dóra einen dicken Papierstapel. »Außerdem soll
ich dir sagen, dass niemand aus dem Team von Alda gebeten wurde,
die Ausgrabung zu stoppen.« Dóra nahm den Stapel. Es
waren Listen der Gegenstände, die in den Häusern gefunden
worden waren. Damit würde sie eine ganze Weile
beschäftigt sein.
Als
Dóra Marías Haus verließ, wusste sie nicht viel
mehr, als dass Magnús in der Nacht Leute aufs Festland
gebracht hatte, am nächsten Tag zurückgekommen war und
bei den Rettungsarbeiten geholfen hatte. Er hatte sich
zunächst um sein eigenes Haus gekümmert, wobei ihm einige
Nachbarn geholfen hatten, denen er im Gegenzug ebenfalls zur Hand
gegangen war. Leider wusste María nicht, ob Daði auch
dabei gewesen war. Danach hatte Magnús mit einem
Räumungstrupp an verschiedenen Stellen im Ort gearbeitet. Nach
etwa einem Monat, als sein Haus komplett verschüttet war, war
er wieder zur See gefahren. In den darauffolgenden {261 }Monaten
hatte er wie verrückt geschuftet, um sein Schiff halten zu
können.
Dóras
Telefon klingelte. Sie ging sofort ran, als sie sah, dass es die
Nummer des Immobilienmaklers war, mit dem Markús angeblich
auf seinem Weg ins Sommerhaus gesprochen hatte. Dóra hatte
ihn gebeten, sie zurückzurufen, und erklärte ihm ihr
Anliegen.
»Okay«,
sagte eine jugendlich klingende Stimme. »Ich
verstehe.«
Was verstand
er? Isländisch? »Also, hast du mit Markús
telefoniert? Es ist sehr wichtig, dass du wahrheitsgemäß
antwortest. Sonst tust du Markús keinen Gefallen.
Außerdem muss ich wissen, von welchem Apparat aus du
angerufen hast, damit die Polizei es überprüfen
kann.«
»Äh«,
murmelte der Mann. »Doch, ich hab ihn angerufen. Warte mal
eben.« Am anderen Ende der Leitung raschelte Papier.
»Es ist hier irgendwo. Hier. Hier ist
es.«
»Was ist
wo?«, fragte Dóra irritiert.
»Das
Gebot, über das wir gesprochen haben. Die Frist ist am
achtzehnten Juli um acht Uhr ausgelaufen, passt also genau. Ich hab
ihn angerufen, als klar war, dass die Verkäufer sich nicht
darauf einlassen würden. Was nicht weiter verwunderlich ist
bei der Höhe. Markús hat die Wohnung nicht besonders
gefallen,
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