Das Gluehende Grab
euch tun kann, dann würde ich jetzt gerne
weiterarbeiten. Ich nutze die Zeitverzögerung für ein
paar wichtige Berichte. Wir sitzen hier nicht rum und starren
Löcher in die Luft, nur weil die Ausgrabungsstätte
vorübergehend gesperrt ist.«
Bella
schnaubte, und Dóra ergriff rasch das Wort, bevor die
Sekretärin eine unverschämte Bemerkung machen konnte.
»Ich wollte dir noch ein paar Fragen stellen. Ich verspreche
dir auch, mich zu beeilen. Du bist uns gleich wieder los.«
Sie lächelte und hoffte das Beste, während Bella den
Archäologen feindselig anstarrte.
Dóra
war sich nicht sicher, ob es der Gesichtsausdruck der
Sekretärin oder ihr eigenes Lächeln war, das Hjörtur
umstimmte, aber er gewährte ihnen immerhin ein paar Minuten.
Sie folgten ihm in einen kleinen Konferenzraum und setzten sich.
»Wurde bei den Ausgrabungen irgendetwas gefunden, das mit den
Leichen zu tun haben könnte?«, fragte Dóra.
»Etwas, das ihr bisher vielleicht gar nicht näher
beachtet habt? Ich meine damit nicht nur Gegenstände aus
Markús’ Elternhaus.«
»Nein.
Nicht, dass ich wüsste. Aber ich hab auch nicht speziell
darüber nachgedacht.«
»Ihr
registriert doch bestimmt alles, was ihr findet«, sagte
Dóra. »Gibt es eine Möglichkeit, diese
Gegenstände anzuschauen?«
Hjörtur
schüttelte den Kopf. »Nein, kann ich mir nicht
vorstellen. Es ist vorgesehen, dass die ehemaligen
Hauseigentümer mit uns gemeinsam die Dinge durchsehen und wir
eine Vereinbarung treffen, was damit geschehen soll.« Er
schob eine schmutzige Kaffeetasse beiseite. »Auf dem
Ausgrabungsgelände soll eine Ausstellung mit diesen
Gegenständen entstehen, am besten in den Häusern selbst.
Das gehört ja alles der Stadt Vestmannæyjabær.
Aber wir möchten den ursprünglichen Eigentümern
natürlich entgegenkommen. Dinge, die für uns vielleicht
keine Rolle spielen, können für sie von
unschätzbarem emotionalem Wert sein.« Hjörtur holte
tief Luft. »Viele haben uns deswegen kontaktiert. Die Leute
interessieren sich vor allem für Fotoalben; manche fragen auch
nach Dingen wie Studentenmützen, Pokalen und Uhren. Wir
registrieren alles, was wir finden, und dann wird es so verpackt,
dass man es dem jeweiligen Haus zuordnen
kann.«
»Hat
denn die Polizei die Sachen nicht durchgesehen?«, fragte
Dóra verwundert. »Man sollte meinen, dass sie sich
zumindest für die Gegenstände aus Markús’
Elternhaus interessieren.«
Hjörtur
schüttelte den Kopf. »Noch nicht, und hoffentlich bleibt
es dabei. Wir haben viel Arbeit in die Sache gesteckt, es wäre
sehr aufwendig, die ganzen Kisten
durchzustöbern.«
»Könnte
ich eine Liste der Gegenstände bekommen?« Hjörtur
kniff die Lippen zusammen. »Das muss ich
abklären«, sagte er brüsk.
Dóra
versuchte, noch behutsamer vorzugehen. »Hätte jemand den
Keller vor Markús betreten
können?«
»Willst
du etwa wissen, ob die Leichen da runtergebracht worden sind, als
das Haus schon freigelegt war?«, fragte
Hjörtur.
»Ja, im
Grunde schon. Das würde die Zahl der Personen, die eventuell
etwas damit zu tun haben könnten, erheblich
vergrößern.«
»Ich bin
mir sicher, dass wir die Kellertür ausreichend verriegelt
haben, und du warst übrigens auch zufrieden damit, wenn ich
mich recht erinnere«, sagte Hjörtur mit unbewegter
Miene. {92 }»Wir haben uns bis zur Tür vorgearbeitet und
sie anschließend sofort zugenagelt. Genau wie vereinbart.
Natürlich hätte jemand in den Keller gelangen
können, aber niemals mit einer Leiche.«
»Wie
kannst du dir da so sicher sein?«, fragte Dóra.
»Bitte versteh mich nicht falsch – ich will damit nicht
sagen, dass du oder einer deiner Leute etwas damit zu tun
haben.«
»Ich war
mit der Polizei im Keller. Die Leichen haben garantiert schon
jahrelang da unten gelegen, nicht nur ein paar
Tage.«
»Vielleicht
sollte es nur so aussehen. Vielleicht hat jemand die Leichen mit
Asche und Staub bedeckt.«
»Nein«,
sagte Hjörtur entschieden.
»Hast du
eine Idee, um wen es sich bei den Leichen handeln könnte? Du
bist doch von hier, oder?«
Hjörtur
schmunzelte. »Der Vulkan ist an meinem dritten Geburtstag
ausgebrochen, ich kann dir leider nichts über die Geschehnisse
oder die Leute von damals erzählen. Aber ich halte es für
ausgeschlossen, dass es Einheimische sind. Alle Einwohner wurden
gerettet. Vier Männer hätten nicht einfach so
verschwinden können.«
Dóra
erwähnte den Mann, der im Keller der Apotheke erstickt war,
diesmal nicht.
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