Das Gluehende Grab
der Fingerabdrücke
auf der Kiste nicht sehr aufschlussreich. Lediglich die
Fingerabdrücke einer einzigen Person konnten identifiziert
werden, waren aber noch nicht mit Markús’
Fingerabdrücken abgeglichen worden. Dóra machte sich
keine weiteren Gedanken darüber, da dies seiner Beschreibung
des Ablaufs genau entsprach. Weitere Fingerabdrücke waren
aufgrund der Umstände und der langen Zeit verblasst, und
leider konnten auch Aldas Abdrücke nicht mehr nachgewiesen
werden. Die Kiste sollte jedoch zur näheren Untersuchung noch
in ein besser ausgestattetes Labor ins Ausland geschickt
werden.
Dann ging es
um den Kopf selbst. Die Zusammenfassung begann eher harmlos mit
einer Altersbestimmung der Zähne, die auf einen etwa
zwanzigjährigen Mann schließen ließ. Die
Todesursache konnte wegen des fehlenden Rumpfes nicht festgestellt
werden. Man ging davon aus, dass der Kopf erst nach Eintritt des
Todes abgetrennt worden war. Die Sägespuren waren so
unnatürlich gerade, dass sie keinem Lebendigen hätten
zugefügt werden können. Dóra hatte ein
unwirkliches Gefühl, als sie dies las. Kein {122 }Dozent in
der juristischen Fakultät wäre auf die Idee gekommen,
seine Studenten auf so etwas vorzubereiten. Dass der Kopf von einem
Mann stammte, konnte man auf dem Röntgenbild an den
Maßen der Kieferknochen und anderen Schädelproportionen
sehen. Es war noch Bartwuchs sichtbar. Da es keine
Zahnfüllungen gab, ließ sich die Herkunft des Kopfes
leider nicht bestimmen. Wenn es sich um einen weiteren Briten
gehandelt hätte, wäre eine Verbindung zu Markús
auszuschließen gewesen.
Dóra
blätterte weiter. Nachdem sie zwei weitere Zeilen gelesen
hatte, stockte ihr plötzlich der Atem: Hier war die
Überraschung, von der Guðni gesprochen hatte. Dóra
schnappte nach Luft. Das, was sie im Keller für die Zunge des
Mannes gehalten hatte, war etwas ganz anderes.
14
DIENSTAG
17. JULI 2007
Adolf las die
SMS noch einmal durch und tippte dann auf Senden. Er lag auf dem
Sofa und verfolgte aus dem Augenwinkel ein Golfturnier. Er
interessierte sich zwar nicht im Geringsten für Golf, aber die
Sendung hatte eine meditative Wirkung auf ihn. Wie hypnotisiert
beobachtete er, wie eine weiße Kugel nach der anderen in die
Luft schoss, im Himmel verschwand und dann hüpfend auf einer
wie mit der Nagelschere geschnittenen Rasenfläche wieder
auftauchte. Adolf kontrollierte, ob er den Klingelton seines Handys
nach dem Anwaltstermin wieder eingeschaltet hatte. Er hatte es
vergessen, und seine SMS war schon rausgegangen. Er legte das Handy
weg.
Adolf setzte
sich auf und angelte nach der Zeitung. Er musste sich heute Abend
irgendwie beschäftigen, da seine Bekannten nicht auf Anrufe
und SMS reagierten – was ihn nicht sehr wunderte, denn die
arbeitende Bevölkerung hatte an einem Wochentag andere
Pläne. Nach der Anzeige hatte man ihm gekündigt, und er
hatte noch nicht versucht, einen neuen Job zu finden. Geld hatte er
nach dem Tod seiner Mutter erst mal genug. Wenn der ganze
Ärger mit dem Gericht überstanden war, würde er sich
irgendeinen neuen Job suchen, aber dafür war es noch zu
früh. Es machte keinen sonderlich guten Eindruck, wenn man
sich in einem neuen Job wegen eines Gerichtstermins Urlaub nehmen
musste. Adolf schlug die Zeitung auf und blätterte zum
Kinoprogramm. Wenn niemand {124 }Lust hatte, sich mit ihm zu
treffen, würde er eben ins Kino gehen. Er wollte auf keinen
Fall alleine zu Hause sitzen und sich das Hirn zermartern. Es war
wesentlich vernünftiger, ins Fitnessstudio zu gehen, sich
richtig auszupowern und dann eine Sommerkomödie anzuschauen,
die nicht mehr von ihm verlangte, als wach zu bleiben. Er
überlegte, ob er seine Tochter mitnehmen sollte – ein
bisschen Abwechslung täte ihr gut, und außerdem
hätte er dann jemanden, mit dem er sich in der Pause
unterhalten konnte.
Er
rief seine Tochter an, und sie willigte ein, mit ihm in einen Film
ihrer Wahl zu gehen. Ihre Stimme klang weder interessiert noch
desinteressiert, und er hatte den Eindruck, sie sagte aus
Pflichtgefühl zu. Adolf war noch nie aus ihr schlau geworden.
Er war nur eine Nacht mit ihrer Mutter zusammengewesen und hatte
sich nie besonders gut mit ihr verstanden. Er wusste einfach nicht,
ob er der Einzige war, der Schwierigkeiten hatte, an das
Mädchen heranzukommen. Vermutlich nicht. Die arme Kleine hatte
schon immer psychische Probleme gehabt, aber erst in letzter Zeit
körperlich so abgebaut, dass es nicht mehr zu
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