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Das Gluehende Grab

Das Gluehende Grab

Titel: Das Gluehende Grab Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Yrsa Sigurdardottir
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übersehen
war. Ihm fiel ein, dass er dummerweise vergessen hatte, seiner
Anwältin von Tinnas Krankheit zu erzählen. Vielleicht
erweckte es beim Richter Mitgefühl, wenn sie als Zeugin
aussagte. Er hatte sich Tinna gegenüber immer anständig
verhalten und sie jedes zweite Wochenende zu sich genommen –
natürlich erst nach dem Vaterschaftstest. Zwar hatte er sie
dann häufig bei seinen Eltern abgegeben, aber es war ja
angeblich gut für Kinder, Kontakt zu Oma und Opa zu haben.
Zumindest hatte es ihr nicht geschadet, obwohl die beiden schwer
erträglich waren. Die Atmosphäre war immer angespannt
gewesen. Alles, was die beiden in Anwesenheit anderer von sich
gaben, waren schlecht getarnte Sticheleien oder Gejammer über
Gott und die Welt. Die eigenen Probleme waren den Eltern immer
wichtiger gewesen als alles andere, ihr eigenes Kind
eingeschlossen. Nun waren beide tot, und sie hatten es nicht
verdient, dass man um sie trauerte.
     
     
    Was hatte
diese Alda nochmal über seine Eltern gesagt? Sie hätten
{125 }sich in den ersten Jahren ihrer Ehe scheiden lassen wollen?
Wenn das stimmte, hätten sie es besser wahr gemacht, als den
Rest ihres Lebens daran zu verschwenden, einander unglücklich
zu machen. Ob er selbst in der Gerichtsverhandlung durch seine
Kindheit das Mitleid des Richters erregen konnte? Er hatte zwar
genug materielle Dinge, aber keine Liebe bekommen. Die Idee gefiel
ihm so gut, dass er beschloss, sie zu notieren und seiner
Anwältin zu zeigen. Es würde perfekt funktionieren, vor
allem wenn Tinna dem Gericht vorlog, dass er ihr einziger
Haltepunkt im Leben sei. Kein Richter mit ein bisschen
Herzensgüte könnte ihn nach so einer Aussage ins
Gefängnis stecken. Adolf war froh, dass Tinna trotz ihrer
sechzehn Jahre immer noch aussah wie ein Kind.
    Er
überlegte, ob er seine Anwältin anrufen sollte. Danach
ging es ihm jedes Mal hervorragend. Die Frau betonte stets die
Dinge, die seinen Anteil an der Sache beschönigten, und
verscheuchte damit seine negativen Gedanken. Manchmal redete sie
auch über den zweiten Fall, in dem sie ihn vertrat, und
beschrieb ihm ausführlich, wie leicht sich das Krankenhaus in
Ísafjörður davon überzeugen ließ, Adolf
wegen seiner verstorbenen Mutter Schmerzensgeld zu bezahlen. Bei
dem Gedanken an die Summen, die sie dabei nannte, musste er
grinsen. Über seine Finanzen konnte er sich wirklich nicht
beschweren – bis auf die verdammte Erbschaftssteuer hatte er
das schuldenfreie Haus und alles andere, was seine Eltern im Laufe
der Jahre angespart hatten, vollständig bekommen. Ein
zusätzliches Schmerzensgeld wäre nur das
Sahnehäubchen auf diesem fetten Kuchen.
    Trotzdem
entschied er, seine Anwältin nicht anzurufen. Sie würde
bestimmt anfangen, über Alda zu reden. Das wollte er sich
jetzt wirklich nicht anhören, wollte nicht daran denken, was
geschehen war, als sie sich getroffen hatten. Auf gar keinen Fall.
Und er hatte nicht die geringste Lust, der Anwältin zu sagen,
dass Alda nicht wie erwartet für ihn aussagen würde.
Diese Hoffnung war für immer
erloschen. 
    »Morgen«,
antwortete Dóra auf die übliche Frage ihrer Tochter:
Wann kommst du wieder? »Ziemlich früh sogar. Noch vor
dem Mittagessen.«
    »Prima«,
sagte Sóley zufrieden. Dann begann sie zu flüstern,
sodass Dóra sich stark konzentrieren musste, um sie
verstehen zu können. »Oma kocht diese ekligen
Frikadellen, die in Gemüse
eingewickelten.«
    »Aha.«
Dóra musste grinsen. Sie hatte in Sóleys Alter auch
keine Kohlrouladen gemocht. »Morgen Mittag koche ich. Keine
Sorge.« Sie verabschiedete sich von ihrer Tochter, und Gylfis
raue Stimme drang durch den Hörer.
    »Kannst
du uns nicht ’ne Übernachtung auf den
Westmännerinseln besorgen?«, sagte er, ohne zu
grüßen. »Es ist alles voll, und ich kann
unmöglich mit Sigga und Orri im Zelt
schlafen.«
    »Ich
dachte, das einzige Hindernis für eine Übernachtung im
Zelt wärst du. Außerdem ist es vollkommen absurd, mit
dem Kind zu einem Open-Air-Festival zu fahren. Orri ist noch viel
zu klein. Abgesehen davon, dass ihr selbst noch viel zu jung
seid.« Verhängnisvoll, wie früh der Mensch
zeugungsfähig ist. »Ihr habt hier überhaupt nichts
zu suchen.«
    »Ich
dachte, du würdest vielleicht mitkommen. Wir könnten
für uns alle eine Wohnung mieten, von mir aus auch für
Sóley. Dann könnt ihr auf Orri aufpassen, wenn Sigga
und ich unterwegs sind, und euch ums Essen kümmern und
so.«
    Dóra
war völlig überrascht, dass Gylfi sie

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