Das Gluehende Grab
ich gebe zu
bedenken, dass über den Inhalt bereits auf der Straße
geklatscht wurde. Es kann ja wohl nicht angehen, dass
Ermittlungsergebnisse die Runde machen, bevor die Betroffenen
informiert werden.«
Stefán
musterte Dóra, sagte aber nichts. Er wandte sich an
Markús. »Wo warst du am Sonntagabend, dem 8.
Juli?« Also hatte man den Todeszeitpunkt
festgestellt.
»Das
weiß ich nicht«, antwortete Markús scharf.
»Woher soll ich das wissen?«
»An
deiner Stelle würde ich mich ganz schnell daran erinnern. Du
hast behauptet, du seist auf dem Weg zu den Westmännerinseln
gewesen. Da bist du immerhin, wie wir alle wissen, am folgenden
Morgen auch eingetroffen.« Stefán blätterte in
seinen Papieren. »Du hast ausgesagt, du seist gegen neunzehn
Uhr in Reykjavík losgefahren und um zwanzig Uhr
dreißig in deinem Sommerhaus am Ufer der Rangá
angekommen. Von dort bist du früh am nächsten Morgen zum
Flughafen in Bakki gefahren und auf die Insel geflogen. Ist das
richtig?«
Markús
wirkte ratlos. »Ja, natürlich. Ich hab mich nur nicht
mehr an das Datum erinnert. Wenn du mich nach dem Abend vor meinem
Flug auf die Insel gefragt hättest, hätte ich dir sofort
antworten können.«
»Du
bleibst also bei deiner Aussage?«
»Selbstverständlich«,
antwortete Markús zornig. »Warum denn nicht? Es war
so. Die Fluggesellschaft kann das
bestätigen.«
»Ich
habe dich nicht nach deinem Flug am Montagmorgen gefragt«,
entgegnete Stefán, »sondern nach dem Sonntagabend. Von
Reykjavík bis zum Flughafen in Bakki fährt man nur zwei
Stunden. Wenn du am Montagmorgen dort warst, beweist das gar
nichts.« Stefán überflog Markús’
alte Aussage. »Kann jemand deine Geschichte bestätigen?
Hast du unterwegs getankt oder irgendwo zum Essen
angehalten?«
Markús
setzte sich auf seinem Stuhl zurecht und schien zu überlegen.
»Ich glaube, ich habe auf dem Weg aus der Stadt
getankt.« Er seufzte. »Aber das ist schon so lange her.
Es muss an der Tankstelle in der Snorrabraut gewesen sein.«
»Um wie
viel Uhr ungefähr?«, fragte
Stefán.
»So
gegen sieben, kurz vor sieben. Ich weiß nicht genau.
Könnt ihr das nicht an meinen Kreditkartenquittungen sehen?
Ich zahle fast immer mit Karte.«
Stefán
antwortete nicht, aber Dóra wusste, dass die Benutzung einer
Kreditkarte an einer Selbstbedienungszapfsäule kein Alibi war.
»Entschuldige bitte«, warf sie ein, »aber
wäre es nicht angebracht, zu beweisen, dass Markús am
Tatort war, anstatt hier wie ein blindes Huhn zu versuchen, diesen
längst vergangenen Sonntagabend zu rekonstruieren?«
Diesmal strafte Dóra Stefán mit einem sarkastischen
Grinsen. Sie dachte schon, sie hätte Oberwasser bekommen, aber
das Gefühl dauerte nicht lange an.
»Genau
das werde ich tun«, sagte Stefán. »Beweisen,
dass Markús am fraglichen Abend am Tatort war.« Sein
Blick wanderte von Dóra zu Markús.
»Was?«
Markús wirkte plötzlich völlig entmutigt.
»Das kann nicht sein.« Er war viel zu konfus, um sich
aufzuregen. »Das kann einfach nicht
sein.«
»So ist
es aber«, sagte Stefán. »Wir haben einen Zeugen,
der behauptet, dich zum mutmaßlichen Tatzeitpunkt vor Ort
gesehen zu haben. Außerdem haben wir DNA-Spuren von dir an
der Leiche gefunden. Ein Abgleich mit der DNA-Probe, die du
freiwillig im Zusammenhang mit den Kellerleichen abgegeben hast,
zeigt das eindeutig.«
Es
bestand kein Zweifel daran, dass Markús nach dem Verhör
nicht zurück nach Hause fahren würde.
Tinna lag mit
weit geöffneten Augen im Bett. Sie war müde, wusste aber,
dass man im Schlaf weniger Kalorien verbraucht als im wachen
Zustand. Undenkbar, am helllichten Tag einzuschlafen. {161 }Durch
die geschlossene Tür hörte sie ihre Mutter hantieren. Es
war unerträglich, dass sie ihren Job drangegeben hatte, um auf
Tinna aufzupassen. Als Mama den ganzen Tag über aus dem Haus
gewesen war, hatte Tinna leicht behaupten können, etwas
gegessen zu haben, obwohl das Essen im Mülleimer gelandet war.
Aber jetzt beobachtete Mama sie auf Schritt und Tritt. Der
Staubsauger jaulte ungewöhnlich laut, so als sei ein
großer Gegenstand aufgesaugt worden. Normalerweise hätte
Tinna beim Staubwischen geholfen, aber sie hatte keine Lust. Sie
war sauer. Mama hatte sie eben dabei erwischt, wie sie im Internet
völlig fasziniert Rezepte las. Dann war Mama ausgerastet und
hatte geschrien, Tinna solle lieber etwas zu sich nehmen, als sich
auf dem Bildschirm Essen anzugucken. Am Ende war Mama in
Tränen
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