Das Götter-Opfer
Gast jetzt einhakte und mit ihr ins Wohnzimmer schritt. »Ich habe schon alles vorbereitet. Es gibt Tee und Gebäck. Sie werden sich bestimmt wohl fühlen. Johns Freunde sind auch meine.«
Ich wollte den beiden folgen, aber Jane hielt mich zurück. »Was ist denn mit ihr los?«
»Das weiß ich selbst nicht genau.«
»Erzähl mir nichts.«
»Glaube es mir. Auch sie kommt damit nicht zurecht, aber wenn du nach ihrem Alter fragst, dann spricht sie davon, daß sie mehr als viertausend Jahre alt ist.«
»Bitte?«
»Und ich glaube ihr sogar.«
»Wiedergeburt?«
»Das denke ich. Und noch etwas. Sie selbst ist eine Waffe. Sie weiß es nur nicht genau. Sie kann durch ihre Blicke Menschen zu Staub zerfallen lassen. Sie praktisch verbrennen. Es liegt an ihren Augen, die dann nicht so normal bleiben wie sie jetzt sind. Das habe ich als Zeuge erlebt, Jane.«
»Okay, dann wird es interessant.«
»Abwarten.«
Auch wir begaben uns in den Wohnraum, der mit alten Möbeln eingerichtet worden war. Es stand viel Kram herum, aber er wirkte nicht kitschig und paßte irgendwie zu Lady Sarah. Auch Jane sah gut aus. Die kornblumenblaue Cordhose saß ziemlich eng, und der weiße Pullover fiel locker. Ihr Haar war fast von der gleichen Farbe wie das der Besucherin. Es wirkte aber nicht so dicht, was auch daran liegen mochte, daß sie es flotter geschnitten hatte.
Sarah und Selima hatten schon ihre Plätze eingenommen. Der Gast trank Tee und schaute dabei auf die Ketten, die um den Hals der Horror-Oma hingen. Sie waren praktisch Satans Markenzeichen. Ich hatte sie noch nie ohne eine Kette gesehen. Auch ihre Kleidung fiel auf. Sie trug immer Kleider, aber nie so triste. Wenn schon dunkel, dann waren sie chic und gut geschnitten. Die vierfache Witwe war wirklich eine mehr als interessante Frau, und auf mich wirkte Sarah Goldwyn auch irgendwie alterslos. Sie steckte rein geistig viele Jüngere in die Tasche, wobei sie zudem ein sehr liebes Wesen hatte.
Und natürlich ein gruseliges Hobby!
Sie sammelte alles, was mit unheimlichen Dingen zu tun hatte. Sie ging auch noch in jeden Gruselfilm, und unter dem Dach befand sich ein umfangreiches Archiv, in dem sie alles gesammelt hatte, was dieses Gebiet betraf. Das zog sich auch hin bis in die tiefe Geschichte und Mythenlehre der Völker.
Der Dachbereich war eigentlich mehr Janes Refugium. Computer plus Internet-Anschluß gehörten ebenso dazu wie eine Datenbank mit Informationen, die mir schon oft geholfen hatten.
Auch wir setzten uns. Ich ließ mich in den Sessel sinken, der so gemütlich war. Oft genug hatte ich schon hier gesessen und mich von der Horror-Oma verwöhnen lassen. Manchmal sah ich sie als Mutter-Ersatz an, wobei sich Sarah Goldwyn allerdings oft in lebensgefährliche Situationen begeben hatte, denn sie konnte es einfach nicht lassen, sich in Fälle einzumischen.
Ich wußte, daß auch unsere Besucherin ihr Interesse wecken würde, aber sie hatte sich noch nicht getraut, Selima danach zu fragen. Erst als Jane und ich ebenfalls Tee getrunken hatten, kam sie auf das Thema zu sprechen.
»Jetzt erzähle uns bitte, John, warum du Selima zu uns gebracht hast und sie die Nacht bei uns verbringen soll, was natürlich kein Problem ist«, fügte sie zu Selima gewandt hinzu.
»Sie ist außergewöhnlich und besitzt ungewöhnliche Fähigkeiten«, erklärte ich.
»Wie habt ihr euch getroffen?« wollte Jane wissen. »Ist es Zufall gewesen?«
Ich zuckte die Achseln. »Zufall? Schicksal? So genau kann ich das nicht auseinanderhalten. Jedenfalls begann es mit dem Anruf einer Frau, die mich kennt und die ich wohl auch kenne, wobei mir bisher allerdings nicht eingefallen ist, wo sie mir schon einmal begegnet ist. Das schwebt noch alles im luftleeren Raum.«
In den folgenden Minuten berichtete ich Jane und Sarah von meinen Erlebnissen mit Selima. Sie selbst sagte nichts, obwohl es um sie ging. Sie ließ mich reden, hörte zu, trank hin und wieder einen Schluck Tee, knabberte Gebäck und schaute ansonsten auf das Fenster, vor dem die Gardinen wallten.
Es lag auf der Hand, daß Sarah und Jane in die Augen der Frau schauten, als ich davon redete, aber sie sahen keinen goldenen Schimmer, kein Strahlen. Hin und wieder zeigte Selimas Mund ein knappes Lächeln, das war auch alles, was wir sahen.
Lady Sarah gab den ersten Kommentar. »Wenn das stimmt, was John uns erzählt hat, bist du ein lebendes Kraftwerk, Kind.«
»So habe ich mich nie gesehen.«
»Wie denn?«
»Ich weiß nichts
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