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Das Gold der Lagune: Historischer Roman (German Edition)

Das Gold der Lagune: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Das Gold der Lagune: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerit Bertram
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eingefunden, doch hielt er sich in diskretem Abstand und ließ ihn in Frieden.
    Cristin. Seine Gedanken schweiften zu der Freundin, um die er sich insgeheim sorgte. Es war offensichtlich, dass die Strapazen der Reise noch immer an ihr zerrten, außerdem schien sie unter Heimweh zu leiden. In diesem Moment beruhigte ihn das sichere Wissen, selbst von niemandem erwartet zu werden. Frei wie ein Vogel war er, kam und ging, wie es ihm beliebte. Bernstein konnte er überall verkaufen. Bastian dachte daran, wie Cristin ihm am Abend mit einem schmalen Lächeln eine gute Nacht gewünscht hatte. Sie hatte sich verändert, war oft in sich gekehrt, und wenn sie sprach, ließ sie die ihr eigene Fröhlichkeit und Lebendigkeit vermissen.
    Natürlich waren ihm die Veränderungen ihres Körpers ebenso wenig entgangen, sie hatte vollere Hüften und Brüste bekommen. Das hatte ihn verblüfft, denn trotz der oft mageren Kost während ihrer Reise nach Venedig Speck anzusetzen, erschien ihm schon sonderbar. Trotzdem musste er gestehen, dass ihr sich allmählich rundender Leib bei ihm Fragen aufwarf. Nun gut, Cristin hatte laut den Erzählungen Baldos schon immer ihren eigenen Kopf besessen. Doch wie es ihr gelungen war, den gutmütigen, aber eigenwilligen Mann trotz ihrer Schwangerschaft von der Reise zu dem venezianischen Tuchhändler zu überzeugen, war ihm unerklärlich. Er grinste in sich hinein. Bei diesen Streitigkeiten hätte er gern Mäuschen gespielt. Wie er die beiden kannte, hatten sie unerbittlich miteinander gerungen, und dies gewiss lautstark. Im nächsten Moment wurde er wieder ernst. Baldo hätte sich nicht erweichen lassen dürfen, dachte Bastian.
    Geistesabwesend ruhte sein Blick einige Lidschläge lang auf einer Ameise, die auf seinen Fußrücken gekrabbelt war und sich nun seinem nackten Schienbein näherte. Ich hätte viel eher erkennen müssen, dass Cristin in anderen Umständen ist, rügte er sich selbst. Spätestens als er ihren überaus gesunden Appetit bemerkt hatte, den sie mit bedauerndem Gesichtsausdruck zu zügeln versuchte, hätte er es wissen müssen. Die Ameise hatte mittlerweile sein Knie erreicht. Landsberg schnippte sie fort.
    »Lauf nach Hause, zurück zu deinem Volk«, flüsterte er.
    Ein Wort aus der Heiligen Schrift kam ihm in den Sinn. »Gehe hin zur Ameise, du Fauler«, hatte einst der weise König Salomo geschrieben. »Sieh an ihr Tun und lerne von ihr!« Bastians Lippen hoben sich zu einem Lächeln. Er stand auf und ging auf das Handelskontor zu.
    Cristin hingegen lag in ihrem Bett und wälzte sich von einer Seite auf die andere, obwohl das schlichte Lager im Handelskontor durchaus bequem war und Baldo und ihr genug Platz bot. Ihre innere Anspannung ließ dennoch nicht nach, zu viele beunruhigende Gedanken wirbelten unaufhörlich durch ihren Kopf und raubten ihr den Schlaf. Welche Mühen hatten sie auf sich genommen, um nach Venedig zu gelangen, wie viel Zeit war vergangen und würde noch vergehen, bis sie wieder daheim in Hamburg sein würden!
    Inzwischen waren sie seit Monaten auf Reisen. Die Ungewissheit dessen, was auf sie zukommen würde, wenn sie endlich beim Tuchhändler de Gaspanioso vorsprach, war unerträglich. Sollten ihre Stoffe nicht seine Zustimmung finden, wären all diese Wochen nichts als vertane Zeit.
    Während sie tagsüber die Gassen und Plätze erkundeten, fiel ihr immer wieder auf, wie gern sich die Venezianer in kostbare Tuche hüllten. Aufwendige Brokateinsätze, gewebte Seide und pelzene Kragen zierten ihre Gewänder und Hauben, und die Mäntel der Herren waren von ausgefallenen Motiven geschmückt. Die Bewohner der Lagunenstadt liebten offenkundig kräftige Farben, denn es war das königliche Burgunder und das satte Grün der Wälder, verwoben in komplizierte Lilien- und Granatapfelmuster, die sie bevorzugten. Beinahe erschien es Cristin, als wollten die Venezianer mit der majestätischen Pracht ihrer Heimatstadt, die sie so sehr verehrten, wetteifern.
    Was also hatte sie, eine einfache Goldspinnerin aus dem fernen Lübeck, Venedig schon zu bieten? Wenn Cristin an diesem Punkt ihrer Überlegungen angelangte, wurde ihr Mund trocken, und jede Müdigkeit verflog. Auch Baldos Eigenart, seine geliebten Stiefel nur beim Waschen auszuziehen, trug nicht gerade zu einer erholsamen Nachtruhe bei. Anfangs hatte sie ja noch ein gewisses Verständnis für seine Marotte gehabt, aber nun, da seine Stiefel längst nicht mehr neu waren, ärgerte sie seine Sturheit. Auch in diesem Moment

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