Das Gold der Lagune: Historischer Roman (German Edition)
legte seinen großen Kopf in ihren Schoß. Sie vergrub ihr Gesicht in sein dichtes Winterfell, und er hielt ganz still. Wie oft hatte sie sich schon an Lump geschmiegt, wenn sie traurig war oder sich keinen Rat wusste? Blitzschnell leckte er ihr über die Wange, und Cristin musste unwillkürlich schmunzeln. Seinen Namen trug er wahrlich zu Recht. Sie seufzte, machte sich von ihm frei und putzte sich die Nase mit einem Tüchlein, das sie stets in einer Tasche ihres Umhanges bei sich trug.
In diesem Moment hörte sie Schritte, die sich näherten. Baldo kam auf sie zugeeilt.
»Cristin, was suchst du hier auf dieser kalten Bank?« Er kniff die Augen zusammen und ging vor ihr in die Hocke. »Du hast geweint.«
Zärtlich fuhr er ihr mit den Fingern durchs offene Haar.
»Komm ins Haus, Liebes. Du erkältest dich.«
Sanft zog er sie hoch, legte den Arm um ihre Taille und führte sie zurück ins Haus. Er befahl ihr, sich auf die Kammer zu begeben, die Ludewig ihnen zur Verfügung gestellt hatte, und ein wenig zu ruhen. Dann ging er zu Minna und dem Bader in die Küche und wünschte ihnen eine gute Nacht. »Cristin fühlt sich nicht wohl. Ich werde mich ein wenig um sie kümmern.«
»Ja, geht nur«, erwiderte Ludewig. »Sorgt dafür, dass die Deern vernünftig schläft.«
Als Baldo die Kammer betrat, lag Cristin still und noch vollständig bekleidet auf der Schlafstatt und starrte an die Decke.
»Mach dir keine Sorgen«, unterbrach er ihre Grübeleien und küsste sie zart auf die Stirn. »Ichwerdemich so bald wie möglich erkundigen, ob es irgendwo ein Haus gibt, das wir kaufen können. Natürlich muss es genügend Platz für die Goldspinnerei bieten.«
»Und für deine kleine Werkstatt«, ergänzte Cristin und blickte ihn aus geröteten Augen an. Inzwischen hatte sie ihre Fassung wiedererlangt. Aber sie wusste, ein einziges Wort würde genügen, um die mühsam errichtete Beherrschung zu verlieren.
Sie schlüpfte aus ihren Kleidern und kroch unter die warmen Decken, während Baldo sich im Schein zweier Talglampen am Waschtisch rasierte. Eine Weile sah sie ihm noch zu, dann schloss sie die Augen. Allerdings war Cristin viel zu aufgewühlt, um einschlafen zu können. Sie dachte an die vergangenen Stunden zurück. Da Elisabeth während ihrer Unterhaltung mit Minna und Ludewig dabei gewesen war, hatte sie nicht allzu viele Fragen über den Brand stellen wollen, um die Kleine nicht unnötig zu ängstigen. Außerdem war ihr nicht entgangen, wie schwer es Minna gefallen war, über diese schrecklichen Stunden zu sprechen. Sie schien sich Vorwürfe zu machen. Dabei konnte sich Cristin beim besten Willen nicht vorstellen, dass die Vertraute nachlässig gewesen sein könnte. Minna hatte immer sorgsam darauf geachtet, alle Fenster und Türen zu schließen, bevor sie zur Ruhe ging. Sie fröstelte.
Wie hatte sich das Feuer nur so rasch ausbreiten können? Glücklicherweise hatte Lump angeschlagen und Minna geweckt.
Da unterbrach eine Bewegung sie in ihren Überlegungen, und die Decken wurden angehoben.
»Schläfst du schon?«, wisperte Baldo und legte sich neben sie.
»Nein, wie sollte ich?« Cristin schmiegte sich zitternd an seine nackte Brust. Sie hielten einander lange wortlos umfangen. Dann unterbrach sie das Schweigen. »Hast du gesehen, welche kümmerlichen Reste von unserem Haus übrig geblieben sind?«
Er küsste sie auf den Scheitel. »Ja«, antwortete er erstickt. »Mein Schuppen ist nur noch ein Häufchen Asche. Die Mauern des Brennofens stehen noch, aber was nützt uns das?«
»Elisabeths Wiege«, flüsterte Cristin. »Mein … mein Ziehvater hat sie anfertigen lassen, bevor ich geboren wurde, weißt du?«
Baldo zog sie enger an sich. »Unser Kind lebt, Liebling. Das ist alles, was zählt.«
»Ja, das ist wahr.« Es gelang ihr nicht, die Tränen zurückzuhalten. »Ich bin so froh, dass niemandem etwas zugestoßen ist. Dennoch … die Werkstatt, das neue Geschirr, der Mantel und der schöne warme Rock, den ich für Elisabeth gemacht habe.«
»Du wirst neue Kleider für sie weben.« Er strich ihr über die bebenden Schultern. »Auch ich bin traurig, Cristin. Aber wir haben uns, und unser zweites Kind kommt bald auf die Welt. Du glaubst gar nicht, wie froh ich bin, dass du die Reise unbeschadet überstanden hast, noch dazu mit erfolgversprechenden Aufträgen. Die es uns wiederum erlauben, ein neues Haus zu kaufen. Du siehst also: Wo Licht ist, da ist auch Schatten. Und umgekehrt.«
Cristin wischte sich über
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