Das Gold der Lagune: Historischer Roman (German Edition)
Lohnarbeiterin, tragt daran irgendeine Schuld. Doch wir müssen noch einmal von vorn anfangen, ein neues Haus kaufen und eine Werkstatt einrichten. Deshalb bitte ich Euch«, sie sah zu Hinrick Hohusen, »uns Unterstützung zu gewähren.«
Dieser drehte sich zu seinem Nebenmann um, dem Zunftschreiber, der sogleich nach einem unbeschriebenen Stück Pergament und einer Feder griff und sie in ein tönernes Tintenfass tunkte. Während sich die Feder über die Tierhaut bewegte, fuhr Cristin fort.
»Ich habe mir bereits ein geeignetes Haus angesehen. Nur verlangt der Besitzer dreißig Gulden dafür.«
»Und die wollt Ihr aus der Zunftlade geliehen haben?«, unterbrach sie ein hagerer Mann.
Cristin hielt seinem stechenden Blick stand.
»Ganz richtig, es handelt sich lediglich um eine Leihgabe . Ich will schließlichkein Geschenk von Euch. Ist es wirklich zu viel verlangt, einem unverschuldet in Not geratenen Mitglied dieser Zunft, zu der ich nun schon seit einem Jahr gehöre, zu helfen? Habe ich nicht sogar Anspruch auf Eure Unterstützung? Meine Beiträge habe ich stets pünktlich bezahlt, auch habe ich einen Gesellen eingestellt, wie es die Zunftordnung gebietet …«
»Beruhigt Euch, Frau Schimpf«, unterbrach der Zunftmeister sie mit einem Lächeln. »Aufregung ist nicht gut in Eurem Zustand. Ihr habt natürlich recht, es ist eine unserer Pflichten, den Mitgliedern zu helfen. Nur muss ich es Euch noch einmal sagen: Unsere Amtslade ist momentan wirklich sehr knapp bestückt. Dennoch werden wir unserer Pflicht nachkommen.« Er sah zu dem vollbärtigen Mann hinüber, der Cristin die Tür geöffnet hatte und ihr gegenübersaß. »Meinard, welche Summe befindet sich in der Kasse?«
Der Angesprochene erhob sich, trat an die geöffnete Truhe und griff hinein. Mit einer Pergamentrolle kehrte er an den Tisch zurück und studierte kurz, was darin verzeichnet war , um sie danach dem Zunftmeister hinüberzuschieben.
Dieser kratzte sich am Kinn. »Gut, Frau Schimpf. Ich bin bereit, Euch, sagen wir, fünfundzwanzig Gulden zu leihen. Was meinen die anwesenden Meister dazu?«
Einige der Anwesenden nickten.
»Gut, dann ist es hiermit beschlossen«, fuhr Hohusen fort. »Das Geld zahlt Ihr binnen eines Jahres zurück. Ihr stellt Euren Gesellen wieder ein, und wenn Euer Geschäft gut läuft, werdet Ihr einen Lehrling ausbilden. Haltet Euch an die in unserer Ordnung festgesetzten Preise und Arbeitszeiten. Und verkauft keine Waren aus fremden Ländern.« Er schürzte die Lippen. »Wie ich hörte, wart Ihr in Venedig. Ich hoffe nicht, dass Ihr dort Stoffe eingekauft oder bestellt habt?«
Cristin schüttelte den Kopf und bedankte sich. Sie würde dem Mann doch nicht auf die Nase binden, dass sie für die Montebellos prächtige Gewänder anfertigte. Sie lächelte in die Runde der Anwesenden, die sie mit erwartungsvollen Mienen betrachteten.
»Mir ist nicht wohl, würdet Ihr mich bitte entschuldigen?«
Der Zunftmeister nickte. »Selbstverständlich. Wir sehen uns dann bei der Quatemberversammlung nach der Passionszeit.«
Erzbistum Magathaburg
In dieser Hansestadt war Piet in den letzten zwei Jahren schon mehrmals gewesen. Alljährlich fand auf dem Domplatz von Magathaburg die Herrenmesse statt. Eine Woche lang boten Händler aus nah und fern ihre Waren dort feil, und Victorius, der Narr, hatte die sich um die Stände drängenden Besucher mit seinen Spottgesängen und Kunststücken unterhalten. Mit einem prall gefüllten Geldbeutel war er schließlich nach Aschersleben, ein kleines Städtchen im Süden, weitergezogen. Das war im Herbst gewesen, an den Tagen rund um Sankt Maurizius. Nun aber war es Anfang März, und es gabauf dem knöcheltief mit Schnee bedeckten Platz rund um das Gotteshaus kaum Menschen. Zu schmerzhaft brannte die eisige Luft in den Lungen. Und so mussten Piet, Marianka und die Cygani weiterziehen, ohne in dieser Stadt auch nur eine Witte verdienen zu können. Sie konnten nur hoffen, dass es ihnen in Brunswick, ihrem nächsten Ziel auf dem Weg in den Norden des Reiches, besser ergehen mochte.
Hier wollten die beiden sich von den Kalderash trennen, die nach Westen weiterzogen. Piet und Marianka wussten, sie würden Joschka und Tamina, Velky, Arva und all die anderen vermissen und noch oft an sie zurückdenken.
34
Hamburg
D u wirst bei diesem Wetter nicht allein in die Deichstrate gehen«, brummte Baldo kopfschüttelnd. »Ich begleite dich und damit basta! «
Cristin, konnte sich ein Schmunzeln nicht verkneifen.
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