Das Gold der Lagune: Historischer Roman (German Edition)
»Aber auch wunderschön. Fremd, unwirklich.« Sie holte tief Luft, sah Cristin offen ins Gesicht. »Dem ersten Impuls folgend wollte ich hinauslaufen. Wie schnell mein Herz schlug! Aber dann …«
Cristin beugte sich noch tiefer über den Tisch. »Was geschah weiter?«, fragte sie mit vor Aufregung heiserer Stimme.
»Der Heiland sprach zu mir. Nicht hörbar und dennoch klar und deutlich. ›Heirate Jagiello, den Litauerfürsten. Und bringe seinem Land das Evangelium. Ich will, dass du mein Werkzeug bist.‹ Das waren Seine Worte.«
Cristin spürte einen Schauer über ihren Rücken kriechen. »Und Ihr habt …«
»… ihn noch im selben Jahr geheiratet, ja. Wer bin ich, mich dem Befehl des Herrn zu widersetzen?« Jadwiga hob die Schultern. »Meine Mutter stimmte ebenso zu wie der Adel. Noch im selben Jahr krönten sie meinen Gemahl zum Mitkönig Polens. Jagiello ließ sich taufen, nahm den Namen Wladyslaw an, und Litauen wurde christlich.«
»Aber er ist nicht so …« Cristin zögerte.
Die Augen der Königin ruhten freundlich auf ihr. »Sprich ruhig weiter. Was ist mein Gemahl nicht?«
Sie rang nach Worten, senkte den Kopf. »Er ist nicht so fromm wie Ihr, meine Königin.«
»Lassen wir doch die Förmlichkeiten«, unterbrach Jadwiga sie. »Ich bin nicht deine Königin, Agnes. Wenn wir unter uns sind, möchte ich nicht, dass du mich mit meinem offiziellen Titel anredest. So wie ich dich von nun an, zumindest wenn wir allein sind, mit deinem wahren Namen anreden möchte und nicht mit Agnes, wie du dich genannt hast, als wir uns kennenlernten. Wir sind schließlich Freundinnen.«
»Ich danke Euch, meine …«
Ein gespielt strenger Blick traf sie. »Nein, mein Gemahl ließ sich wohl taufen, weil es die höfische Etikette bei Eheschließungen so vorschreibt«, erzählte die Königin weiter. »Doch bedeutet ihm der Glaube an Christus nichts. Das musste ich sehr schnell erkennen.« Bitterkeit war aus ihrer Stimme herauszuhören. »Die christliche Taufe allein macht uns noch nicht zu Gläubigen. Unser Glaube muss sich durch Taten beweisen, sonst ist er nichts wert, und wir betrügen uns selbst. So steht es schon in der Biblia beim heiligen Jakobus.«
Cristin studierte die Miene ihrer Vertrauten nachdenklich und mit Bewunderung, denn derart stark war ihr Glaube nie gewesen. »Habt Ihr jemals daran gezweifelt, die Stimme unseres Herrn vernommen zu haben?«, wollte sie wissen.
Energisch schüttelte die Königin den Kopf. »Nein! Zweifel habe ich nie gehegt. Es war Jesus Christus, der zu mir sprach, und nicht die Einbildung eines dummen, zwölfjährigen Mädchens, das sich seinen Pflichten entziehen wollte.«
Cristin war aufgesprungen. Sie legte eine Hand auf die der Königin. »Ihr wart nicht dumm. Ihr wolltet nur Eure Freiheit!«
»Eine Königin läuft nicht davon. Meine Freiheit begann an jenem Abend vor fast vierzehn Jahren, als unser Herr sich mir offenbarte. Wir erlangen sie, wenn wir uns Ihm zur Verfügung stellen. Nur dann erkennen wir unsere Bestimmung und werden glücklich.« Wieder lächelte sie. »Ob nun als Herrscherin über ein ganzes Land, die sich um die Armen und Kranken ihres Volkes kümmert, oder als Heilerin, die anderen Menschen hilft, gesund zu werden. Allein unsere Taten zählen vor Gott, verstehst du?«
Cristin nickte.
12
E lisabeth war irgendwann auf Jadwigas Schoß eingeschlafen. Die Königin hatte sich erboten, auf die Kleine zu achten, damit Cristin zu ihrem Bruder zum Abendessen gehen konnte.
»Nein, keine Widerrede, meine Liebe. Dies ist ein Befehl«, wischte Jadwiga Cristins Protest mit einem Lächeln fort, »mir wird es ein Vergnügen sein, Elisabeths Schlaf zu bewachen. Nun geh und verlebe einen schönen Abend mit diesem verrückten Kerl, der mir schon so viel Freude bereitet hat.«
Cristin schmunzelte. Sie hob Elisabeth vorsichtig von Jadwigas Schoß und legte sie auf das königliche Bett. Dabei warf sie einen misstrauischen Blick auf den gewölbten Leib der Freundin.
»Seid Ihr sicher, Hoheit?«
»Mir geht es gut. Ich lass dir eine Kutsche kommen. Und nun eile dich.«
Mit diesen Worten war Cristin entlassen. Als sie kurze Zeit später in den Burghof trat, wartete die Kalesche bereits auf sie. Jaromir und Janek begrüßten sie mit einem breiten Lachen in den Gesichtern. Ihr wurde warm ums Herz, als sie den Schalk in Janeks Augen entdeckte.
»Wie schön! Du kommst also auch mit?«
Der Junge nickte, klopfte sich vielsagend auf den Bauch und huschte neben sie in die
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