Das Gold der Lagune: Historischer Roman (German Edition)
Tür.
»Wer ist da?«, murmelte er mit halb geschlossenen Lidern.
»Herr Ludewig, ich bin’s, Minna. Ihr müsst uns helfen!«
Der Bader musterte sie von oben bis unten. »Potzblitz! Jetzt erkenne ich Euch! Wie seht Ihr denn aus?«
Er ließ den Blick über ihre Gestalt und das Kind in ihren Armen wandern. Sie war barfuß, trug ein schmutziges Nachtkleid, und ihr Gesicht war mit einer eigenartigen, dunklen Schicht überzogen. Der Hund der Schimpfs hockte mit eingezogenem Schwanz neben ihr.
»Seid Ihr verletzt?«
Minna wehrte energisch ab. »Ist nichts weiter, nur ein paar Blasen. Der Lütten ist auch nichts geschehen, dem Himmel sei Dank.«
Der Bader atmete auf. »Gut. Aber wo sind Baldo und Cristin? Außerdem ist es bannig kalt. Was macht Ihr mitten in der Nacht da draußen, Minna?«
»Etwas Furchtbares ist geschehen«, stieß sie atemlos hervor, ohne auf seine Frage einzugehen.
Ludewig Stienberg öffnete die Tür weit. »Kommt erst mal herein.«
Minna betrat leicht schwankend das Haus, gefolgt von Lump.
»Gebt mir das Kind«, sagte der Bader und streckte die Hände nach Elisabeth aus.
Die ältere Frau wollte protestieren, doch der kräftige Mann brachte sie mit einem strengen Blick zum Schweigen und nahm ihr das Mädchen ab. Mit dem Fuß stieß er eine weitere Tür auf.
»Mein Behandlungsraum«, erklärte er und legte die Kleine auf ein schmales Bett.
Im Flur fasste er Minna am Arm und zog sie mit sich in die Küche. Schwer sank die Lohnarbeiterin auf einen der Stühle, und Lump ließ sich neben ihr nieder.
» Nun sagt mir, was geschehen ist.«
» Es … es hat gebrannt, Herr Ludewig«, brachte sie mit schwacher Stimme hervor. »Weder von dem Haus noch von der Spinnerei sind mehr als die Grundmauern übrig geblieben. Ich … ich wusste mir keinen Rat und …«
» Was sagt Ihr da? Gebrannt?«Daher also die Nachtkleidung und die gelösten Haare! Beim genaueren Hinsehen erkannte er die dunklen Spuren in ihrem Gesicht als Rußflecken. »Das ist ja fürchterlich! Wo sind Baldo und Cristin?«
» Sie sind zu einer längeren Reise aufgebrochen, Herr Ludewig. Ich war mit dem Kind allein.«
Fassungslos schüttelte er den Kopf.
»Ihr wart allein im Haus?« Einige Strähnen an ihrem Haaransatz waren verkohlt, eine Augenbraue nahezu verbrannt. »Fehlt Euch wirklich nichts? Zeigt mal her.«
»Mir geht es gut!«, entgegnete Minna scharf, senkte jedoch gleich darauf den Kopf. »Entschuldigt.« Sie fuhr sich mit der Hand über die Augen. »Die Schimpfs, wenn sie heimkommen … Mein Gott.«
Der Bader antwortete nicht, stellte stattdessen zwei Becher mit stark riechendem Inhalt auf den Tisch.
»Trinkt, Minna, und dann erzählt von Anfang an.«
Die Lohnarbeiterin schüttete das Gebräu in einem Zug hinunter und japste nach Luft. In ihrem Inneren breitete sich eine wohltuende Wärme aus. Stumm schenkte der Bader ihr nach. Seine Hände zitterten ebenso wie ihre, aber er verschüttete keinen einzigen Tropfen.
Noch immer atemlos begann sie zu erzählen. » Das Feuer kam aus der Werkstatt, Herr Ludewig. Es ging … alles so schnell.«
» Gutes Mädchen. Hast sie alle gerettet«, erwiderte er heiser, nachdem sie geendet hatte, und verfiel kurz in die vertraute Anrede. Über den Tisch hinweg tätschelte er ihr die Hand.
»Trinkt noch einen, Minna! Wird Euch guttun.«
Sie nickte und sah zu, wie er den Rest der bauchigen Flasche in ihren Becher goss. Zwischen ihnen wurde es still. Der Bader erhob sich, ging zum Fenster und verschränkte die Arme hinter seinem breiten Rücken. Sie hob den Becher an die Lippen und trank einen weiteren Schluck.
» Bevor ich schlafen gegangen bin, habe ich noch mal überall nachgesehen, ob die Türen auch verschlossen und die Lichter gelöscht waren. Das mache ich immer, müsst Ihr wissen. Es war alles in bester Ordnung.« Sie zog die Stirn in Falten. »Ich kann mich allerdings nicht erinnern, ob auch die Fenster alle verschlossen waren. Herrje, falls noch ein Licht geglommen hat, vielleicht ist alles meine Schuld?« Minna schniefte und wischte sich das feuchte Gesicht am Ärmel ihres Gewandes ab.
» Aber, aber, nun beruhigt Euch.« Der Bader war mit wenigen Schritten bei ihr. »Es wird sich gewiss alles aufklären. Ihr bleibt vorerst hier. Ich schlage vor, wir richten eine der Kammern für Euch her. Morgen sehen wir dann weiter.«
Minna dankte ihm und erhob sich stöhnend.
»Also doch! Der Fuß, nicht wahr? Nun stellt Euch nicht so an, verdammt.« Ludewig kniete sich vor Minna
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