Das Gold der Lagune: Historischer Roman (German Edition)
nieder, griff nach ihrem Fuß und hob ihn an. »Oje, da habt Ihr Euch aber eine schöne Verbrennung zugezogen! Ich habe eine Salbe, die wird Eure Schmerzen lindern. Moment, ich hole sie.« Schon machte er Anstalten, ins Behandlungszimmer hinüberzugehen.
»Nicht nötig, Herr Stienberg. Es tut fast gar nicht …«
Ungeachtet ihres Kommentars eilte er aus dem Raum. Minna blickte auf ihren Fuß und verstand nicht, was sie sah. Die Blasen waren nahezu verschwunden.
Der Bader kehrte zurück und drückte ihr einen Tiegel in die Hand. »Tragt die Salbe rund um die Verletzung mehrmals am Tag auf, damit die Haut geschmeidig bleibt, und kühlt die Stelle. Mehr kann ich im Moment nicht tun. Das Bett richte ich Euch gleich her. Die Kammer ist oben.«
»Danke, aber es tut gar nicht mehr weh«, erwiderte sie tonlos.
Dann wankte sie einer Betrunkenen gleich aus der Küche, vor Müdigkeit und Erschöpfung kaum fähig, noch einen Fuß vor den anderen zu setzen. Doch bevor sie sich hinlegen konnte, musste sie noch einmal nach dem Kind sehen.
35
Hamburg
S chweigend saßen Ludewig Stienberg und Minna sich in der nur spärlich erleuchteten Küche am Esstisch gegenüber. Der Schein der beiden Talglampen warf Schatten auf ihre Züge. Beide hatten die vierzig längst überschritten. Bleich und übernächtigt nippte Minna an ihrem Becher Wein, der nur mit einem Hauch Wasser verdünnt war. Angesichts der Tatsache, dass der Tag noch nicht angebrochen war, schien ihr dies pure Verschwendung zu sein, aber der Bader hatte darauf bestanden.
»So wie Ihr heute Morgen ausseht, liebe Minna, werdet Ihr es brauchen«, hatte er erwidert und sich im selben Augenblick vor die hohe Stirn geschlagen. »Was bin ich für doch für ein alter Esel! Bitte entschuldigt, das war nicht sonderlich galant. Ich meinte nur …«
Doch sie hatte nur eine wegwerfende Handbewegung gemacht.
Der Bader musterte sie. Tiefe Ringe hatten sich um Minnas Augen gegraben, und ihr sonst stets rosiges Gesicht war immer noch bleich.
»Wie geht es Eurem Fuß? Habt Ihr die Salbe, die ich Euch gegeben habe, aufgetragen?«
Minna nickte.
»Lasst mich mal sehen.« Schon ging er vor der alten Frau in die Knie und heftete den Blick auf den Fußrücken. »Sieht sehr gut aus«, murmelte er verwundert ob der verschwundenen Brandblasen und der deutlich helleren Haut. »Kommt selten vor, dass eine solche Wunde so schnell heilt.« Er erhob sich und setzte sich wieder auf den Stuhl Minna gegenüber, die ihm seltsam geistesabwesend erschien. »Greift nur tüchtig zu. Das Brot ist frisch«, forderte er sie auf und reichte ihr einen Korb, den sie dankend ablehnte.
»Was unsere Deern wohl sagen wird, wenn sie …« Ihr Blick wanderte zum Fenster hinaus.
»… zurück nach Hause kommt«, vervollständigte er kauend den Satz. Der Gedanke bereitete auch ihm Sorge, wusste er doch, wie glücklich Cristin und Baldo in ihrem Haus mit der angeschlossenen Werkstatt waren. Es dauerte ihn, wenn er darüber nachdachte, was der Brand für das junge Paar bedeutete. Er biss in eine Brotscheibe. »Wo sind die beiden überhaupt? Wann rechnet Ihr mit ihrer Heimkehr?«
»Sie wollten nach Venedig und sind erst vor kurzem aufgebrochen.«
Ludewig verschluckte sich prompt an seinem Brot. »Wie bitte?« Seine Stimme schwoll an und ähnelte einem Donnergrollen. »Ihr sagtet Venedig?« Mit der flachen Hand schlug er auf den Tisch.
Minna zog die Schultern ein und senkte die Lider.
»Ihr wollt mir sagen, Cristin lässt sich auf eine derart lange und anstrengende Reise ein? Ja, sind die beiden denn von allen guten Geistern verlassen?«
Sie schwieg einen Moment und wartete, bis sich die Zornesfalten zwischen seinen Augenbrauen ein wenig geglättet hatten. Dann berichtete sie dem Bader in allen Einzelheiten von Jadwigas großzügigem Geschenk, dem Empfehlungsschreiben für den venezianischen Tuchhändler und von Bastian Landsbergs Angebot, sie zu begleiten, da er etwas Italienisch sprach. »Frau Schimpf meinte, wenn sie jetzt nicht fährt, kann sie es später, wenn das Kind erst mal auf der Welt ist, für Jahre nicht mehr.«
Ludewig verzichtete zunächst auf einen Kommentar, denn er musste sich eingestehen, dass Minna seinen Wutausbruch am wenigsten verdiente. Mit Cristins Unvernunft würde er sich noch beschäftigen, nun galt es, sich um Wichtigeres zu kümmern. Nur mit Mühe konnte er den Gedanken abschütteln und musterte die Frau, die mit schräg gelegtem Kopf und abwesender Miene durch ihn hindurchsah, als
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