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Das Gold der Lagune: Historischer Roman (German Edition)

Das Gold der Lagune: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Das Gold der Lagune: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerit Bertram
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Stimmen der Nachbarn, die sich taktvoll für eine Weile entfernt hatten, nahm sie kaum noch wahr. Mit dem Fuß stieß sie einen blechernen Topf beiseite und stieg vorsichtig über Tonscherben, einst das Geschirr der Familie. Da entdeckte sie den guten Krug für den Wein, von dem nur am oberen Rand eine Scherbe abgebrochen war. Sie hob ihn auf, schniefte geräuschvoll und stellte ihn etwas abseits auf das Pflaster.
    Auf einem Haufen Unrat schimmerte etwas Helles. Mit spitzen Fingern schob sie einige Stoffteile beiseite. Von den halb fertig gewebten und bestickten Decken und Umhängen, die ihre junge Herrin im Auftrag der Kunden hatte anfertigen wollen, waren nur noch Fetzen übrig. Minna biss die Zähne zusammen, blinzelte und blickte erneut auf das helle Holzstück. Das Spinnrad! Sie bekreuzigte sich. Ein Teil des Holzes war versengt, aber mit etwas Geschick könnte man es vielleicht wieder herrichten. Sie befreite das lädierte Spinnrad behutsam, um es sich mühsam unter den Arm zu klemmen, ebenso wie die Türglocke, die Herr Schimpf hergestellt hatte, und machte sich auf den Rückweg.
    Ludewig Stienberg staunte nicht schlecht, als er Minna die Tür öffnete. »Ja, was habt Ihr denn da? Zeigt mal her!«
    Er nahm ihr das Spinnrad sowie die anderen Überbleibsel ab, während Lump mit eingezogenem Schwanz an ihm vorbeischoss und das Weite suchte.
    »Ich weiß nicht, Herr Stienberg, aber vielleicht ist es ja noch zu retten? Cristin war so stolz auf das gute Stück.« Minna hob in einer Geste der Hilflosigkeit die Schultern. »Die Deern hat es sich nach ihrer Ankunft in Hamburg gekauft.« Sie sah zu Boden. »Meint Ihr, man bekommt es wieder hin?«
    »Schon gut, meine liebe Minna, tretet erst mal ein.« Ludewig tätschelte ihren Arm und führte sie sanft, aber bestimmt in die Küche, wo Lump sich nahe der Feuerstelle zusammengerollt hatte.
    Meine liebe Minna. Sie maß ihn kurz und ließ sich widerstandslos auf einen Stuhl drücken. »Ist nicht mehr viel übrig von dem Haus. Es ist ein Jammer!«
    Ludewig setzte sich ebenfalls. Sie schwiegen, und nur das leise Schnarchen des Hundes unterbrach die dumpfe Verzweiflung, die wie eine dunkle Wolke den Raum erfüllte. Minna strich gedankenverloren über die kupferne Türglocke, die bis vor wenigen Tagen immer nahe dem Webrahmen gestanden und Frau Schimpf Besuch angekündigt hatte.
    »Wir sollten den beiden diesen Anblick ersparen«, sagte der Bader wie zu sich selbst und kratzte sich am Nacken. »Auch wenn dieses eigensinnige Mädel mich wirklich verärgert hat. Dabei wollte ich den beiden in den nächsten Tagen einen Besuch abstatten, wir haben uns ja längere Zeit nicht mehr gesehen. Aber sei’s drum, das ist jetzt unwichtig, wir müssen ihnen helfen.«
    Minna hob den Kopf. »Zumal die Deern in anderen Umständen ist«, ergänzte sie, ohne den Blick von der Glocke in ihren Händen zu wenden. »Aber wie sollen wir das anstellen?«
    »Ich kenne einige fleißige Burschen hier, die jede Witte gebrauchen können. Sie kommen öfter in mein Badehaus. Die werde ich fragen, ob sie uns zur Hand gehen. Der neue Geselle der Schimpfs soll auch ordentlich mit anpacken. Und was Cristin angeht, die wird sich einiges von mir anhören müssen, wenn sie erst wieder zu Hause ist. Dieses verrückte Frauenzimmer! Wer hat so etwas je gehört? Eine große Reise unternehmen, wenn man ein Kind unter dem Herzen trägt! Wenn ich das nur vorher gewusst hätte!«
    »Wem sagt Ihr das? Wie gegen Wände habe ich geredet, das könnt Ihr mir glauben. Selbst der Herr Schimpf konnte sie nicht umstimmen. Andererseits kann ich sie auch verstehen, sie will ja nur das Beste. Wie gut, dass der Bernsteinhändler sie begleitet, wäre ja sonst nicht auszudenken.« Sie erhob sich. »Die Kleine weint, ich muss zu ihr.«
    Der Bader murmelte Zustimmung und sah ihr nach, wie sie mit hängenden Schultern die Küche verließ. Das gute Mädchen ist wirklich zäh, überlegte er nachdenklich. Alles schien Minna ertragen zu können, nur die Schuldgefühle lasteten schwer auf ihren Schultern. Als Nächstes werde ich neue Kleider für Elisabeth und Minna kaufen, beschloss er, denn die alten taugten nicht einmal mehr zum Fußbodenscheuern.
    Nachdem Minna mit Elisabeth in die Küche zurückgekehrt war, besprachen der Bader und die Lohnarbeiterin, wie es nun weitergehen sollte. Minna und das Kind durften vorerst bei ihm leben. Ludewig wollte sich um Arbeiter bemühen, die den Unrat und die Überreste des Hauses fortschafften, während

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