Das Gold der Lagune: Historischer Roman (German Edition)
selbst sein, und ihre Gesichter waren offen und freundlich.
» Seid ihr auf dem Weg nach Lübeck?«, rief Mirke ihnen zu.
Der ältere der beiden Männer schüttelte den Kopf. »Nein, zum Markt nach Brectehegel. Willst du mitfahren?«
» Gern.«
» Dann steig auf.«
Der Mann hielt den Karren an, und Mirke erklomm die Ladefläche, um sich zwischen mehrere mit Leinentüchern abgedeckte Weidenkörbe zu setzen.
»Was verkauft ihr denn?«
» Ich bin Hutmacher. Der Junge hier ist mein Lehrling«, erklärte der ältere der Männer.
Der andere grinste. »Noch. Im nächsten Frühjahr fertige ich mein Gesellenstück an, und der Zunftmeister spricht mich frei. Dann geht’s auf Wanderschaft. Und du?«
»Hab mich bei einem Wirt in Hamburg als Schankmädchen verdingt. Aber jetzt will ich zurück nach Lübeck, wo mein Liebster auf mich wartet.«
Wie das klang. »Mein Liebster.« War Emmerik das? Zumindest war er eine durchaus angenehme Gesellschaft. Mirke lächelte.
Bis Brectehegel hatte sie genügend Muße, um sich fein zurechtzulegen, was sie angeblich bei ihrem Onkel in Ahrensborg alles erlebt hatte. Natürlich musste sie vorsichtig sein, denn es war immerhin möglich, dass der Henker mit einem ihrer Verwandten zusammentraf. Wobei sie daran zweifelte, ob sich die Familie trauen würde, bei der Hütte des Scharfrichters anzuklopfen. Ihr Lächeln verbreiterte sich unwillkürlich.
» Ein wirklich schöner Tag ist das heute«, rief sie den beiden Männern zu.
In Brectehegel angekommen, lenkten die Hutmacher den Ochsenkarren an den Rand eines ausgedehnten Platzes, an dem bereits weitere Händler ihre Fuhrwerke entluden. Andere bauten Tische auf und errichteten Podeste. Mirke wollte vom Wagen klettern, da hielt der Ältere sie fest.
»Reich mir doch die Kober herunter, sie sind nicht schwer.« Er lächelte. »Sind ja nur Filzhüte darin.«
Als er die Arme hob und den ersten Korb entgegennahm, fiel Mirkes Blick auf den prall gefüllten Beutel an seinem Gürtel.Der Mann nickte seinem Lehrling zu, der neben ihn getreten war, und stellte den Korb auf den Boden. Er zog das Band seines Geldbeutels auf, nahm ein paar Münzen heraus und drückte sie dem Jungen in die Hand.
»Geh zum Marktaufseher und entrichte die Standmiete.«
Der Lehrling verschwand in der stetig zunehmenden Menge. Mirke hob den nächsten Korb an und reichte ihn dem Hutmacher, da begann dieser plötzlich zu zittern. Im selben Moment öffneten sich seine Hände, und der Kober fiel zu Boden. Filzhüte unterschiedlichster Farben und Formen purzelten durch den Staub.
Mirke sprang vom Wagen. »Was ist mit Euch?«
Der Mann, dessen Hände immer noch wie Espenlaub bebten, stöhnte auf. »Verdammte Hutmacherkrankheit. «
Schon sank er in die Knie und kippte zur Seite wie ein gefällter Baum. Mit großen Augen sah er sie an, unfähig zu sprechen oder sich gar zu bewegen.
Mirkes Blick wanderte zum Gürtel des Mannes, heftete sich auf den Beutel. Wie magisch angezogen griffen ihre Hände danach, fassten hinein und brachten eine Hand voll Silbermünzen hervor. Von den Lippen des wie gelähmt Daliegenden kam ein Lallen. Ein weißer Speichelfaden lief ihm den Mundwinkel hinab. Angeekelt wandte sie sich ab.
Niemand hatte von ihr Notiz genommen. Sie erhob sich, klopfte den Staub von ihrem Kleid und entfernte sich schnellen Schrittes.
Teil 2
1
S eit gut zwei Wochen waren Cristin, Baldo und Bastian nun schon unterwegs. Die goldene Herbstsonne ließ die gelblich verfärbten Blätter an den Bäumen leuchten. Vor einigen Tagen hatten sie Lipzic hinter sich gelassen, wo einmal jährlich eine große Handelsmesse stattfand. Die Nacht verbrachten sie in einer Herberge, die direkt auf ihrer Reiseroute lag. Ihre Tiere standen sicher und gut versorgt in einem hölzernen Verschlag, und die drei freuten sich über die frisch aufgeschüttelten Strohbetten und das einfache, aber gute Essen.
Mit einem seligen Seufzer streckte sich Cristin nach dem Abendessen auf ihrem Lager aus und sah ihrem Mann zu, wie er seine Hose zu Boden fallen ließ. Ein Glucksen stieg in ihrer Kehle hoch.
»Du bietest einen wirklichen reizvollen Anblick, Liebling, wie du so dastehst mit nichts als einem Hemd und deinen Stiefeln bekleidet. Willst du dich nicht ausziehen?«
»Die Stiefel sind bequem und bleiben an.« Seine Miene glich der eines trotzigen Kleinkindes. Allmählich machte sich Unmut in ihr breit. »Willst du tatsächlich weiterhin jede Nacht in deinen Stiefeln schlafen?«
»Mir ist kalt,
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