Das Gold der Lagune: Historischer Roman (German Edition)
Weib.«
Seit wann fror er so leicht? Selbst in kalten Nächten war er es meist gewesen, der sie gewärmt hatte. »Ich verstehe ja, dass du sie magst, aber …«
Sein Blick ließ sie verstummen. Er setzte sich auf die Bettkante, und sie hob die Decke ein wenig, damit er sich zu ihr legen konnte. Sie war viel zu erschöpft, um längere Zeit mit ihm streiten zu wollen. Kaum hatte er die Decke über sie beide gezogen, rückte er näher an sie heran und fuhr mit seinen Fingern über ihre Rundungen. Cristin spürte das harte Leder seiner Stiefel an ihren Waden und setzte sich auf.
»Baldo, zieh endlich diese Stiefel aus. Das ist mehr als unbequem«, entfuhr es ihr heftiger als beabsichtigt. »So kann ich nicht schlafen!«
»Schon gut«, knurrte er.
Wenn sie nicht so verärgert gewesen wäre, hätte sie seine Reaktion vielleicht sogar lustig gefunden. Momente später streifte er die Schuhe von den Füßen, jedoch nur, um sie unter sein Kissen zu legen. Cristin wollte schon etwas erwidern, rollte aber stattdessen nur mit den Augen und legte sich wieder nieder.
Ihr nächstes Ziel an der Via Imperii , der bekannten, bereits von den Römern gebauten Handelsstraße, war Nürnberg. Die freie Reichstadt unterstand keinem Fürsten, sondern dem Kaiser selbst, wie Landsberg zu erzählen wusste. Während die Planwagen über das nasse Pflaster holperten – in der Nacht hatte es heftig geregnet –, kamen ihnen immer wieder andere Handelsreisende mit Ochsen- und Pferdegespannen entgegen. Doch es gab auch Männer, die auf Schusters Rappen unterwegs waren, Handwerksgesellen auf der Wanderschaft und Pilger, die unterwegs zu den Wallfahrtsorten im Norden des Reiches waren. Inzwischen war es Abend geworden, und der stete Strom von Fuhrwerken und Wanderern hatte merklich abgenommen. Die Sonne würde bald untergehen, und Landsberg hoffte, dass sie vor dem noch ungefähr drei oder vier Meilen entfernten Nürnberg ein Dorf erreichten, wo sie die Nacht verbringen konnten.
Baldo, der den ersten Wagen lenkte, zügelte die Gäule, denn etwa zwei Steinwürfe vor ihnen hatte er einen träge dahinfließenden Fluss entdeckt. Die Brücke, die ihn überspannte, war schmal, sodass nur ein Gefährt sie passieren konnte. Da ein sich auf der anderen Seite näherndes Fuhrwerk nur wenige Klafter von der Brücke entfernt war, zügelte er sein Pferd und drehte sich zu Bastian um.
»Gegenverkehr«, rief er dem Bernsteinhändler zu.
Dieser hob die Hand zum Zeichen, dass er verstanden hatte. Das andere Gefährt überquerte die steinerne Brücke und rollte langsam auf sie zu. Auf dem Kutschbock saß ein junger Mann, bekleidet mit einer Hose, deren Beinlinge in mehreren Farben leuchteten, und einem roten Wams. Auf dem Kopf trug er eine Gugel , aus der an der Stirn ein heller Haarschopf hervorlugte. Seiner Kleidung nach schien der Kerl ein Gaukler zu sein, doch seine ernsten Züge wollten nicht zu der fröhlichen Gewandung passen. Unter der Plane, die den hinteren Teil des Wagens bedeckte, drangen leise Männerstimmen an Baldos Ohr.
Jetzt hielt der Fahrer die Pferde an. »Gott zum Gruße, werte Herren«, rief er ihnen zu, und als Cristin den Kopf hervorstreckte, fügte er hinzu: »Seid auch Ihr mir gegrüßt, schöne Reisende!«
Der Buntgekleidete sprang vom Kutschbock. »Wir sind Spielleute und wollen nach Bayreuth, wo wir auf einer Hochzeit erwartet werden. Wie weit ist es noch?«
Landsberg war ebenfalls abgestiegen und kam näher. »Zu der Hochzeit werdet Ihr wohl zu spät kommen«, meinte er. »Bis Bayreuth sind es noch mindestens fünf Meilen.«
»Heilige Scheiße!«, stieß der Mann hervor, »fünf Meilen noch? Das schaffen wir nie.« Der Gaukler fuhr sich mit der Hand über das unrasierte Kinn. »Da geht uns ja ein schöner Batzen Spielmannslohn durch die Lappen.«
Er trat an Baldos Wagen, blickte unter die nach hinten offene Plane und musterte Cristin. Dabei ruhte seine rechte Hand auf dem Griff eines langen Dolchs, der an einem Ledergürtel baumelte. Ihr Körper versteifte sich. Instinktiv legte sie eine Hand auf ihren Bauch. Sie hatte noch keinen Gaukler gesehen, der so schwer bewaffnet war.
Im nächsten Moment traf sie die Erkenntnis wie ein Blitzschlag. Als hätte der Mann ihre Gedanken gelesen, verengten sich seine Augen. Entsetzt musste sie mit ansehen, wie sich seine Hand um den Griff der Waffe schloss und er das Kurzschwert aus dem Gürtel riss. Schon schoss seine linke Hand auf sie zu und krallte sich in den Stoff ihres Kleides. Cristin
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