Das Gold der Maori - Das Gold der Maori
wenn eine Flasche Whiskey kreiste. Allerdings wohnten sie nicht in den behelfsmäßigen Hütten auf der Station, sondern gingen am Abend heim in ihr Dorf – kein Kral, wie Michael erst angenommen hatte, sondern eine umfriedete Ansiedlung, bestehend aus Holzhäusern, geschmückt mit komplizierten, geschnitzten Verzierungen.
»Aber sie schlafen alle in einem Raum!«, verriet Eagle dem verdutzten Michael. »Auch die Mädchen!«
Die Mädchen der Maori erwiesen sich nicht als besonders hübsch im Sinne des englischen Schönheitsideals. Wie die Männer waren sie von eher gedrungenem Körperbau und oft schon als junge Frauen üppig. Man tätowierte auch ihre Gesichter, was Michael zunächst abstieß. Allerdings waren sie freundlich und vor allem überaus freizügig. Nicht nur, dass sie bei warmer Witterung oft darauf verzichteten, Oberkleidung anzulegen und stattdessen mit schwingenden Brüsten im Dorf herumgingen oder Tänze aufführten. Sie lagen auch jedem Mann bei, der ihnen gefiel, anscheinend kontrollierte niemand, ob sich ein Mädchen nachts aus dem Schlafhaus schlich.
»Und sie nehmen nicht mal was dafür!«, freute sich Eagle. »Obwohl sie sich natürlich freuen, wenn man ihnen eine Kleinigkeit schenkt. Seltsame Sitten, aber sehr angenehm!«
Michael dachte vorerst nicht an Mädchen. Nachdem er zum ersten Mal einen Wal ausgeschlachtet hatte, stand ihm der Sinn ohnehin nicht nach Gesellschaft, sondern eigentlich nur nach viel Wasser und Seife – und einer Flasche Whiskey, um alles zu vergessen. Mit auf ein Boot durfte Michael noch nicht.
»Muss erst mal gucken, ob du rudern kannst!«, meinte Fyfe.
Michael, der auf den erhöhten Verdienst aus war, verriet ihm nicht, dass er das noch nie getan hatte. Es sah schließlich nicht schwierig aus, und die Kraft dazu würde er nach jahrelanger Zwangsarbeit in Ketten mühelos aufbringen.
Fyfe schien ihm die Lüge aber am Gesicht anzusehen. »Nun schau erst mal zu und hilf, den Wal auseinanderzunehmen. Dann sehn wir weiter!«, versprach er.
Michael beobachtete also vom Ufer aus, wie der Wal das Boot des Harpuniers hinter sich herzog, bis er ermüdete. Anschließend stieß ihm der Steuermann eine Lanze in den Körper – wobei er versuchte, das Tier gerade noch so weit am Leben zu erhalten, dass es sich knapp unter oder über Wasser hielt. Das Boot zog den Wal dann an Land, und die Männer begannen, ihn auszuweiden.
»Er ist noch nicht tot!«, rief Michael entsetzt, als sie die ersten Messer in den riesigen Körper stießen, um die Fettschicht unter der Haut abzulösen.
»Quassel nicht, arbeite!«, wies Eagle ihn an.
Er konnte diesmal die Ehre für sich beanspruchen, den Wal harpuniert zu haben, und war wild darauf, das zu feiern. Vorher musste allerdings der Kadaver zerlegt werden. Michael versuchte, nicht in Richtung der kleinen Augen des Tieres zu schauen, als er nun auch sein eigenes breites Messer in dessen Flanke stieß. Das Fett war weißgrau, glitschig und widerlich. Michael mochte es nicht anfassen und machte sich lieber beim Transport zu den Kesseln nützlich – die Fettstücke wurden mittels Seilwinden hingezogen und ausgekocht. Der Gestank des austretenden Trans war noch widerlicher als der des Walkadavers – und er würde endlos in der Kleidung und auf der Haut der Männer haften.
Aus den Kesseln wurde die gelbliche Flüssigkeit dann in Fässer gefüllt. Ein Wal ergab bis zu zwanzig davon, und sie wurden gut bezahlt. Inzwischen waren die Metzger bis zu den Knochen des Wals vorgedrungen und trennten das Fischbein ab. Die Männer teilten es in Platten auf, säuberten sie notdürftig vom Fleisch und hießen Michael und ein paar andere, sie im Sand zu vergraben.
»Dann stinken sie nicht so, bis das Fleisch verwest«, teilte Chuck seinem neuen Nachbarn mit.
Michael fragte sich zwar, was das noch für einen Unterschied machen würde, grub aber eifrig. In einigen Wochen würde man die leichten Knochen wieder ausgraben und teuer verkaufen. In England erstellte man daraus die Korsetts der Damen, Federungen für Kutschen, Angeln und andere Dinge, für die leichtes, flexibles, aber doch festes Material gebraucht wurde.
Michael empfand das Schlachten als ekelerregend, er mochte auch nichts von dem Walfleisch essen, das die Männer am Abend in den gleichen Kesseln kochten wie vorher den Tran. Dafür war er froh, als sie zuletzt eine Art Wasserleitung öffneten, mittels derer die Reste des zerlegten Wals wieder ins Meer gespült wurden. Es reinigte den Strand
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