Das Gold der Maori - Das Gold der Maori
Walknochen, wie Michael bald darauf erfuhr. Die Körper der gewaltigen Seetiere ließen sich offensichtlich vielseitig verwenden, und ihr Fang musste einträglich sein. Robert Fyfe, ein drahtiger Mann mit ledriger, wie von Wind und Wetter gegerbter Haut und schütterem rotem Haar, streckte Michael bereitwillig das Geld für seine Anreise vor.
»Kannst dir da oben eine Hütte bauen«, wies er seinen neuen Arbeiter an und zeigte auf eine ärmliche Ansiedlung oberhalb seines Hauses.
Die Hütten der Walfänger waren aus Baumrinde und Farnstämmen gebaut. Türen und Fenster waren mittels Planen oder Sackleinen verhängt, um Wind und Regen wenigstens notdürftig abzuhalten. Michaels künftiger Nachbar, Chuck Eagle, lud ihn gleich in sein Domizil ein, das nur mit einer Art Pritsche, einem grob gehämmerten Tisch und einem Stuhl aus Walknochen möbliert war. Es stank bestialisch – anscheinend hatte man die Knochen nicht genügend ausgekocht. Oder ging der Geruch gar von Eagle selbst und seiner Kleidung aus?
»Da gewöhnst du dich dran«, meinte Chuck gutmütig, als er Michaels Naserümpfen bemerkte. Er hielt ihm eine Flasche Whiskey hin, und Michael nahm einen tiefen Schluck. »Die Viecher stinken – besonders, wenn wir sie nicht auf Anhieb an Land kriegen. Wir versuchen, sie an der Angel zu behalten und auf den Strand zu ziehen, aber manchmal lösen sich die Harpunen, und dann sinkt der Kadaver auf den Grund. Eigentlich nicht schlimm, er gast auf, und nach ein paar Tagen kommt er wieder hoch. Riecht bloß was streng.«
»An der Angel?«, fragte Michael. »Ihr … angelt diese Riesenfische?«
Bisher hatte er nie einen Wal gesehen, auch vom Schiff aus hatte sich keiner blicken lassen. Aber die gewaltigen Skelettreste am Strand hatten ihm einen Eindruck davon vermittelt, womit man an diesem Ort rechnen musste.
Chuck lachte dröhnend. »Nöö, da wär uns die Köderjagd zu ungemütlich! So’n Pottwal schluckt ganze Haie! Ungelogen, die Viecher fressen Fische von zwanzig Ellen Länge. Mit einem Happs! Dabei sind’s selbst keine Fische, heißt es. Weil sie ihre Jungen säugen wie Kühe! Wir jagen sie jedenfalls mit Harpunen.«
Wie das aussah, sollte Michael schon am nächsten Tag miterleben. Was, laut Chuck, ein Glücksfall war.
»Früher ging uns jede Woche einer ins Netz, aber jetzt werden sie vorsichtig. Oder vielleicht ist die Gegend auch abgefischt, keine Ahnung. Manchmal ist es wochenlang mau, und dann verdient man auch nicht viel.«
Der Verdienst auf der Walfangstation war gestaffelt. Am meisten erhielt der Harpunier, der seine gewaltige Waffe möglichst zielsicher auf den Wal abfeuern musste, um ihn gleich mit dem ersten Schuss zu schwächen. Die Widerhaken mussten sich fest ins Fleisch bohren. Wenn sie sich lösten, war der Fang in der Regel verloren. Der Wal tauchte ab, überlebte verletzt oder starb vielleicht sonst wo. Die Tiere legten schwimmend ungeheure Entfernungen zurück, man konnte nicht hoffen, den Kadaver irgendwo zu finden.
Saß der Schuss aber gut, so hing der Wal in gewisser Weise wirklich »an der Angel«. Die Harpune fesselte ihn an ein langes, mit dem Boot verbundenes Seil. Er zog es im Todeskampf hinter sich her, eine Höllenfahrt, die auch einen recht hohen Lohn für die sechs Ruderer und den Steuermann der Fangboote rechtfertigte. Immer wieder kippten Boote um, und ihre Insassen kamen im Wasser ums Leben. Die geschicktesten und mutigsten Ruderer und Harpuniere auf Fyfes Station waren ungemein starke Männer mit brauner Haut und dunklen, glatten Haaren, die sie oft lang und zu einer Art Knoten gewunden trugen. Ihre Gesichter waren furchterregend blau tätowiert.
»Maori«, erklärte Chuck Eagle knapp. »Sie kamen ein paar Jahrhunderte vor den Weißen als Siedler nach Neuseeland.«
Michael war einigermaßen überrascht. Da es in Van-Diemens-Land längst keine »Wilden« mehr gab, hatte er auch in Neuseeland nicht mit Eingeborenen gerechnet. Die Maori auf der Walfangstation wirkten aber nicht sonderlich wild, sondern ganz umgänglich, wenn man sich an den Anblick der Stammeszeichen in ihren Gesichtern gewöhnt hatte. Sie trugen die gleiche Arbeitskleidung wie die weißen Walfänger – weite Hemden und Hosen aus Leinen und breite Hüte. Auch versuchten sie sich in der englischen Sprache – nicht immer perfekt, aber verständlich. Sie lachten über die gleichen Witze wie die Weißen oder taten zumindest so, als hätten sie die Anzüglichkeiten verstanden, und sie sagten auch nicht Nein,
Weitere Kostenlose Bücher