Das Gold der Maori - Das Gold der Maori
fieberhaft. Sie brauchte eine gute Geschichte! Eine, die erklärte, warum sie keine Papiere hatte und keine Arbeitszeugnisse. Sie kaute auf ihrer Unterlippe. Am besten war eine möglichst wahre Geschichte. Es musste nicht die eigene sein, aber doch auch keine, die man sich gerade erst ausdachte. Sie verfluchte sich für ihre mangelnde Umsicht. Schließlich hätte sie sich in all den langweiligen Monaten in Sarau längst etwas überlegen können.
»Mr. und Mrs. Laderer waren gut zu mir, als ich aus Australien hierherkam«, sagte sie mit gesenktem Blick. »Sie haben mich auch nichts gefragt, und ich hätte … ich hätte mich geschämt, alles zu erzählen.«
Busby lächelte. »Australien? Doch wohl kein Sträfling?« Er drohte Lizzie scherzhaft mit dem Finger.
Lizzie sah ihn gequält an. »Ich nicht, Sir, aber meine Mutter. Anna Portland … in London … nun … in London hatte jeder von dem Fall gehört … und da wollte meine Herrschaft mich nicht mehr beschäftigen. Ich hab dann gedacht, ich könnt mit meiner Mutter zusammen sein, wenn ich nach Australien geh. Der Nachlass meines Vaters hat gerade gereicht. Aber ich …«, Lizzie ließ ihre Stimme ersterben, »… ich hab sie nicht gefunden.«
Während die Laderers zwar interessiert zuhörten, aber sicher nur die Hälfte verstanden, breitete Lizzie stockend das Drama der Anna Portland vor dem Councillor der Bay of Islands aus. Einem Mann, der sich leicht mit einem Brief nach London von der Wahrheit der Geschichte überzeugen konnte – oder mit einem noch schneller beförderten Brief nach Australien über geflohene weibliche Strafgefangene.
Am Ende ihres Berichts war Busby sichtlich ergriffen.
»Ich werde mir das natürlich bestätigen lassen, Elizabeth. Aber grundsätzlich … wenn deine Herrschaft dich gehen ließe … Ich nähme dich gern mit nach Waitangi. Das ist auf der Nordinsel. Ich hoffe also, du wirst nicht seekrank.«
Die Laderers ließen ihre wenig befähigte Stallmagd in Frieden ziehen, und James Busby berichtete all den vielen Bekannten, die er auf der Reise mit Lizzie traf, seine Frau werde nun endlich mit ihm zufrieden sein.
»Gewöhnlich bringe ich ja eher Reben mit, und jetzt hatte ich ihr schon einen deutschen Winzer angekündigt. Wenn sie stattdessen ein englisches Hausmädchen bekommt, wird sie sich vor Freude nicht halten können.«
Lizzie nahm mit kaum geringerer Freude zur Kenntnis, dass es in Busbys Haus eine Frau gab, der er offensichtlich zugetan war. Immerhin hatte das Paar sechs Kinder. Auch während der langen gemeinsamen Reise trat der schottische Weinkenner und Politikerseiner neuen Angestellten nicht zu nahe. Ansonsten fiel es Lizzie allerdings etwas schwer, ihn einzuschätzen. Busby hatte feststehende Überzeugungen und Meinungen, für die er auch zu streiten verstand. Auf dem Weg nach Waitangi, einem Ort am äußersten Ende der Nordinsel, kehrten sie oft in den Häusern seiner politischen Freunde und Feinde ein, und mitunter kam es zu hitzigen Diskussionen zwischen Busby und dem Gastgeber. Lizzie hörte immer wieder, dass ihr neuer Herr starrköpfig sei – aber andererseits war er hoch geachtet und musste wohl auch ein guter Diplomat sein.
Wie Busby Lizzie selbst erzählte, hatte er den berühmten Vertrag von Waitangi ausgearbeitet und vorbereitet, in dem sich die Häuptlinge von vierunddreißig Maori-Stämmen kampflos der englischen Krone unterstellten. Berühmt dafür war zwar eher William Hobson, aber Busby hatte schon lange vor ihm die britischen Interessen in Neuseeland vertreten. Inzwischen war er offiziell als Bay of Islands Councillor tätig, hatte also eine Art Beraterfunktion für das Gebiet um Waitangi.
Die Buchten und Inseln dieser Region waren relativ dünn besiedelt, die Maori längst christianisiert und angepasst. Statt Walfänger und Seehundjäger wie im sonstigen Neuseeland hatten sich hier schon Anfang des Jahrhunderts Missionare angesiedelt. Die Gegend war fruchtbar und warm, man betrieb Landwirtschaft vor der Kulisse azurblauer Buchten, sattgrüner Regenwälder und gewaltiger Wasserfälle.
Beratung von Busby wollte eigentlich niemand, dazu hatte er sich schon zu häufig mit den Siedlern und Missionaren überworfen. Am ehesten schien er mit den Maori zurechtzukommen – seine früheren Erfolge gingen auf den geschickten Umgang mit den Häuptlingen der Eingeborenen zurück. Aber auch die benötigten keinen Councillor, und Busby fand folglich viel Zeit für eigene Interessen. Eine davon war der
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