Das Gold der Maori - Das Gold der Maori
daran, dass sie im Dorf willkommen war.
»Du kannst bleiben, solange du willst«, sagte Kaewa gelassen.
»Könntet ihr … meine Sachen …«
Lizzie wollte die Mädchen bitten, ihr Bündel mitzubringen, aber hier versagten ihre Sprachkenntnisse. Sie war gleichermaßen fiebrig aufgeregt wie zu Tode erschöpft. Sie versuchte, sich mit Händen und Füßen zu verständigen. Das am Abend zuvor geschnürte Notgepäck musste noch in ihrem Zimmer liegen.
Ruiha nickte sanft und bedächtig, wie es ihre Art war. »Und wenn nicht, bekommst du ein Kleid von mir!«, sagte sie freundlich.
Lizzie wusste dieses Angebot zu schätzen. Die Maori-Mädchen liebten westliche Kleidung und besaßen nicht viel davon.
Im marae des Stammes von Kuti Haoka herrschte trotz der frühen Stunde bereits reges Treiben – die Frauen brieten Brotfladen an offenen Feuern und beschickten die hangi -Öfen. Wenn sie abends durchgegartes Fleisch essen wollten, mussten die Erdöfen bis spätestens mittags entzündet sein. Kinder spielten, Männer kümmerten sich um das Vieh – der Stamm hielt neuerdings Schafe. Lizzie wurde unaufgeregt in Empfang genommen. Niemand fragte, was sie hier an einem Werktag trieb, aber natürlich fiel den Frauen ihre Verwirrung und Angst auf.
»Bist du krank?«, fragte Ruihas Mutter freundlich. »Geh zu Tepora, sie spricht gerade mit den Göttern, aber dann hat sie sicher Zeit für dich.«
Tepora war die Hebamme des Dorfes – sie galt als Sachkundige für Heilkunst und diente wohl auch den Göttern als Priesterin. So ganz durchschaute Lizzie das Aufgabenfeld einer tohunga , wie man diese Frauen nannte, nicht. Aber sie kannte Tepora als hilfsbereit und angenehm ruhig. Auch jetzt empfing sie das Mädchen ohne große Worte, röstete Brot für sie und erhitzte Wasser und Kräuter. Lizzie fühlte sich wohler, als sie aß und trank. Dann begann sie zu erzählen – von London, von Australien, schließlich von der letzten, schrecklichen Nacht.
Tepora strich sanft über ihre Hand. »Ich wusste, dass du dein Gestern durchleidest«, sagte sie freundlich. »Das alles bestimmt dein Leben im Heute, aber du musst nicht zulassen, dass es dich beherrscht.«
»Soll das heißen, es ist meine Schuld?«, begehrte Lizzie auf. »Ich hab mir diesen Smithers nicht herbeigewünscht!«
Tepora schüttelte den Kopf. »Du verstehst nicht, Kind. Dusiehst nicht den Unterschied zwischen taku und toku . Taku sagt, wie wichtig du für deine Geschichte bist. Und toku sagt, wie wichtig Geschichte für dich ist. Du bist nicht wichtig für London und für Australien. Und dieser Mann ist nicht wichtig für dich.«
»Ich laufe immerhin seinetwegen weg«, meinte Lizzie bitter. »Aus einem Leben, das mir gut gefiel.«
»Vielleicht läufst du auf ein Ziel zu, das in der Vergangenheit auf dich wartet …«, sagte Tepora leise. »Alle Zeiten sind eins, Lizzie, du kannst sie bestimmen.«
Lizzie seufzte. Sie hatte Teporas Reden nie verstanden – auch wenn ihr die Wortbedeutung nicht fremd war. Aber jetzt begriff sie, dass die alte Frau ihr offensichtlich nicht helfen konnte. Oder doch?
»Kennst du vielleicht irgendwelche Kräuter, die sicher verhindern, dass ich ein Kind bekomme?«, fragte sie hoffnungsvoll.
Tepora zuckte die Achseln. »Nicht ganz sicher, aber ein bisschen sicher«, schränkte sie ein. »Warte, ich hole dir etwas. Es wird deine Blutung auslösen.«
Lizzie wartete geduldig vor dem Haus der Weisen Frau. Sie durfte es nicht betreten, auch das gehörte zu den vielen tapu der Stämme. Tepora erschien jedoch bald wieder mit einem Becher, und Lizzie trank aufatmend den bitteren Sud. Immerhin schien diese Gefahr abgewendet. Und dann, als sie sich eben bei der Weisen Frau verabschiedete, entdeckte sie einen möglichen Helfer, der zweifellos eher im Diesseits verankert war.
Kahu Heke schlenderte selbstbewusst durch das Lager. Der junge Krieger lächelte Lizzie zu, als sie sich ihm näherte, und wären die martialischen Tätowierungen nicht gewesen, so hätte sie ihn fast sympathisch gefunden.
»Da bist du ja – Elizabeth!«, sagte er fröhlich. Er nannte Lizzie immer bei vollem Namen, wobei das Wort aus seinem Mund fremdartig klang. »Ich soll dich suchen, der Häuptling will dich sprechen. Die Frauen sagen, du bist den pakeha weggelaufen?« Kahu strahlte übers ganze Gesicht, wobei die blauen Ranken aufseinen Wangen zu tanzen schienen. »Recht so! Vielleicht verstehst du jetzt, warum ich sie nicht mag!«
Lizzie war mitunter bei Kahu angeeckt,
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