Das Gold der Maori - Das Gold der Maori
Tahu.«
»Zu wem?«, fragte Lizzie. Von diesem Stamm hatte sie noch nie gehört.
»Auf die Südinsel«, meinte Kahu rasch und leise, um den Häuptling nicht beim Nachdenken über seinen kühnen Vorschlag zu stören. »Da finden sie dich nie.«
»Aber … aber die Südinsel … Da komme ich ja her. Wir mussten das ganze Land durchqueren.« Lizzie schwindelte, wenn sie an die tagelange Reise mit James Busby dachte. »Niemals schaffen wir das, ohne dass sie mich finden.«
Kahu schüttelte den Kopf, gebot ihr aber Schweigen. »Was ist nun, Onkel? Es würde unser beider mana vermehren, wenn wir die wahine in Sicherheit bringen. Man wird bei allen Stämmen von uns reden.«
Als mana bezeichneten die Maori Einfluss und Ansehen eines Kriegers.
Der Häuptling sah seinen Neffen streng an. »Die Männer an den Feuern mögen sich an so einer Geschichte ergötzen, Kahu. Aber ob das mana daran wächst, das die Geister dir zugestehen? Ist der Kampf, den wir hier um Aotearoa führen, nicht zu ernst und zu heilig, als dass er durch entführte Mädchen und umgestoßene Fahnenmäste zu entscheiden wäre?«
Kahu zuckte die Achseln. »Kommt auf den Geist an«, entfuhr es ihm auf Englisch. »Häuptling Hone Heke wird sich dort in Hawaiki auf die Schenkel schlagen.«
Sein Vorfahr Hone Heke war einige Jahre zuvor verstorben und hielt nun, nach Glauben der Maori, Hof auf dem sagenhaften Eiland Hawaiki.
Kahu blinzelte Lizzie kurz zu, nahm sich dann jedoch zusammen und formulierte das Ganze in seiner eigenen Sprache etwas würdiger.
Der Häuptling ließ sich davon nicht beeindrucken. »Hast du dir womöglich auch etwas zuschulden kommen lassen, Kahu? Willst du fort? Werden wir das Kanu wiedersehen? Warum lässt du dich auf eine solche Fahrt ein, die dich das Leben kosten kann?«
Kahu legte die Hand auf sein Herz. »Onkel, was denkst du? Selbstverständlich kommt das Kanu zurück! Es wird mich auch nicht das Leben kosten, ich bin ein guter Segler. Und warum ich es tue? Nun, warum stahl Kupe Kura-maro-tini?«
Lizzie hatte die letzten Worte nicht verstanden, sah aber, dass der Häuptling grinste. »So wird uns die Fahrt zu neuen Inseln führen, gesegnet von den Göttern«, bemerkte er. »Aber auch Kupe kehrte bekanntlich zurück.« Der Häuptling schien Lizzie kritisch zu mustern.
»Was hast du ihm gesagt?«, wisperte Lizzie Kahu zu. »Warum willst du mich wegbringen?«
Der junge Maori sah sie unbedarft an. »Weil wir gemeinsame Feinde haben«, erklärte er. »Und es keinen besseren Freund gibt als den Feind deines Feindes.«
Lizzie runzelte die Stirn. Das waren eigentlich alles keine Worte, die ihr in Kahus Sprache fremd waren. Eigentlich hätte sie zumindest einen Teil verstehen müssen. Aber vielleicht sprachen die Maori ja in Andeutungen. Das taten sie häufig, Lizzie glaubte oft, es gehöre mehr als ein Menschenleben dazu, all die Sagen und Geschichten über Aotearoa und seine alten Helden zu hören und ihren Sinn zu verstehen.
Kuti Haoka traf nun endlich seine Entscheidung. »Gut«, erklärte er und wandte sich mit erhobener Stimme an die Menschen seines Stammes. »Kahu Heke, Häuptlingssohn der Ngati Pau, wird mit dem großen Kanu reisen. Er segle mit dem Segen der Götter! Tangaroa möge seine Fahrt begleiten. Wir werden das Kanu vorbereiten.«
»Und du«, er wandte sich an Lizzie, »wirst bis morgen hier sicher sein. Aber wenn du meinem Neffen beiliegen willst, so tu es im Versammlungshaus. Ich kenne die Bräuche der pakeha . Und du sollst deine Ehre nicht mit einem Mann meines Blutes beschmutzen.« Damit wandte der Häuptling sich ab.
Lizzie stürzte sich auf Kahu. »Was meint er? Wir sollen heiraten? Wieso das denn?«
Eine gemeinsame Übernachtung im wharenui des Stammes entsprach einer Eheschließung. Männer und Frauen, die einfach nur ihren Spaß miteinander haben wollten, schlichen sich gemeinsam ins Freie. Aber damit beschmutzten sie nach Ansicht der Maori doch nicht die Ehre der Frauen …
»Der Häuptling hat etwas missverstanden«, behauptete Kahu leichthin. »Mach dir keine Sorgen. Ich tue dir nichts, weder heute Nacht noch auf der Reise.«
Lizzie ließ das Thema bereitwillig fallen. Es gab ohnehin Dinge, die sie weit mehr beunruhigten. »Wie stellst du dir die Reise denn überhaupt vor?«, fragte sie und dachte an Michaels und Connors hanebüchene Idee, mit einem Kleinsegler von Australien nach Neuseeland zu fliehen. »Du willst segeln? Oder rudern? Ganz allein? Weißt du, wie weit das ist? Wir müssen um
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