Das Gold der Maori - Das Gold der Maori
wenn sie die Busbys vor seinen Anschuldigungen in Schutz nahm. Jetzt zuckte sie die Achseln.
»Es war etwas ganz anderes«, gab sie vage zurück.
Kahu zog eine Braue hoch. »So wie ich die Frauen verstanden habe, hat man dich an einen alten Wüstling verkauft.«
Lizzie spürte schon wieder, wie das Blut in ihre Wangen schoss. Es war schwer, in der fremden Sprache auszudrücken, was ihr geschehen war. Aber Kahu sprach ja fließend Englisch wie die meisten jüngeren Maori. Sie war froh, dass er sie zum Haus des Häuptlings begleitete – egal ob als Beschützer, als Übersetzer oder einfach aus Neugier.
Kuti Haoka empfing Lizzie vor dem wharenui , dem Versammlungshaus des Dorfes. Es regnete an diesem Tag nicht, deshalb sparte er sich die umfangreichen Zeremonien, die nach dem Brauch der Maori nötig waren, eine Besucherin hereinzubitten. Die Kulisse war aber auch so Ehrfurcht einflößend genug. Kuti Haoka, ein alter, besonnener Krieger, stand in traditioneller Kleidung vor dem mit tausend Schnitzereien reich verzierten wharenui . Gegen die winterliche Kälte hatte er sich in einen voluminösen Umhang gehüllt, der ihn mit seinen Stammestätowierungen wie einen gewaltigen, gefährlichen Raubvogel wirken ließ. Hinter ihm und dem Dorf ragten die Berge auf, und trotz des Regens am Tag zuvor war die Luft klar wie Kristall.
Lizzie, Kahu und die anderen Zuhörer aus dem Dorf hielten sich in respektvoller Entfernung. Auch der Stammeshäuptling war tapu . Er durfte nicht berührt werden, selbst die Zubereitung und Einnahme seiner Mahlzeiten erfolgte nach strengen Regeln.
»Du bist hier, pakeha wahine , um uns um Hilfe zu bitten?«
Lizzie schluckte, als sie die tiefe, dunkle Stimme hörte. Der Häuptling richtete zum ersten Mal das Wort an sie. Nervös begannsie zu erzählen, aber Kuti Haoka gebot ihr bald Einhalt und forderte Kahu mit ein paar knappen Worten auf, zu übersetzen.
»Sprich einfach Englisch«, ermutigte sie der Missionsschüler. »Das macht es für alle einfacher. Der Häuptling weiß zwar zu schätzen, dass du unsere Sprache sprichst, aber er sieht auch, dass du heute unter der Last des Gestern verstummst. Ich werde ihm übersetzen.«
Lizzie schaute ihn verständnislos an.
Kahu seufzte. »Er versteht, dass dir das Wort im Halse stecken bleibt«, erklärte er kurz.
Lizzie lächelte. Dann begann sie flüssig auf Englisch zu erzählen, was ihr widerfahren war.
Der Häuptling hörte sich alles in Ruhe an. »Man hat dich zur Strafe fortgebracht von deinem Stamm, auf eine Insel mit fremden Sternen?«, fragte er ungläubig. »Weil du die Kinder füttern wolltest und dazu ein paar Brotfladen vom Feuer eines Nachbarn nahmst?«
»So ungefähr«, sagte Lizzie. Kahus Übersetzung hatte sich auch für sie ziemlich frei angehört. »Nur, dass ich keinen richtigen Stamm hatte.«
»Und dann hat dich ein Mann besessen, den du nicht wolltest, und die anderen Frauen sind nicht eingeschritten?«
Lizzie nickte.
»Jede Frau wäre da weggelaufen!«, assistierte ihr Kahu.
Der Häuptling nickte, bedachte dann aber lange, welche Antwort er Lizzie erteilen sollte. »Ich möchte dir gern helfen, pakeha wahine , aber ich will keinen Ärger«, erklärte er schließlich – oder zumindest übersetzte Kahu seine eher blumige Ausdrucksweise in dieser Richtung. »Es gibt immer mehr böses Blut zwischen Maori und pakeha in der letzten Zeit, dazu Streitigkeiten unter den Stämmen. Ich kann dich also schlecht zu einem anderen Stamm weiterschicken. Vielleicht zu den Waikato, die stellen ja jetzt unseren König. Du könntest … wie nennen sie das, Kahu? Du könntest um Asyl bitten?«
Vor einiger Zeit war unter den Maori-Häuptlingen, auf Betreiben gemäßigter Männer wie Hongi Hika und Wiremu Tamihana, eine Königswahl erfolgt. Man hoffte, besser mit den Weißen verhandeln zu können, wenn man ihrer Queen einen kingi gegenüberstellte. Allerdings hatten sich nur schwer Freiwillige für das Amt des kingi gefunden, und Königin Victoria pflegte Potatau I. von Aotearoa bislang auch weitgehend zu ignorieren.
Kahu Heke schüttelte den Kopf. Seine Augen blitzten mutwillig, genau so, als plane er gerade wieder einen Streich gegen die pakeha . »Potatau wird gar nicht begreifen, worum es geht, Onkel!«, gab er dem Häuptling zu bedenken. »Außerdem hat er nicht den geringsten Einfluss. Das gibt nur Scherereien, glaub es mir.
Aber … aber wenn du mir das große Kanu gibst, das Häuptlingskanu, dann bringe ich sie zu den Ngai
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