Das Gold der Maori - Das Gold der Maori
die ganze Insel herum! Das sind viele Meilen, und es ist Winter.«
Lizzie meinte sich zu erinnern, dass England keine Gefangenentransporte übers Meer schickte, bevor es Frühling wurde. Das Meer galt im Winter als zu unruhig, und das traf sicher auch auf die Tasmansee zu.
Kahu blickte sie streng an. »Also willst du jetzt weg von dem alten Kerl, der dich sucht, oder nicht?«, fragte er, fast etwas verärgert. Anscheinend hatte er eher mit Dankbarkeit gerechnet denn mit bohrenden Fragen. »Und erzähl mir nicht, wie weit es ist! Du scheinst zu vergessen, dass wir diese Inseln schon umsegelt haben, zehn Generationen, bevor euer Tasman auch nur geboren wurde! Im Sommer und im Winter, im Frühling und im Herbst. Und nun entschuldige mich. Ich muss das Häuptlingskanu in Besitz nehmen.«
K APITEL 7
Das Häuptlingskanu zu Wasser zu lassen schien eine hochkomplizierte und vor allem spirituell geprägte Sache zu sein. Die Männer des Stammes blieben den Rest des Tages am Strand und führten Tänze, Gesänge und Segnungen auf.
Lizzie bekam das nur am Rande mit, die weiblichen Mitglieder der Stämme hatten wohl nicht viel mit dem Boot zu schaffen. Jedenfalls beschäftigten sich die Frauen und Mädchen lieber mit der Zubereitung eines opulenten Abendessens. Lizzie half ihnen, Gemüse, Fisch und Schweinefleisch zu schneiden, zu würzen und zu garen. Offensichtlich plante man eine Abschiedsfeier. Alle waren gut gelaunt, die jüngeren Mädchen trugen schon am Nachmittag ihre traditionelle Tanzkleidung: Röcke aus gehärteten Flachsfasern und gewebte Oberteile. Darüber hängten sie sich Decken gegen die winterliche Kälte. Als es dunkel wurde, feierten die Männer immer noch am Strand, und die Frauen begrüßten Ruiha und Kaewa sowie die Köchin der Busbys. Lizzie brannte auf Neuigkeiten aus dem Haus des Councillors und freute sich, als Ruiha ihr gleich mit ihrem Bündel winkte. Sie hatte es gefunden und mitgenommen, bevor Lizzie noch vermisst worden war.
»Es hat ein bisschen gedauert, bis der Mister und die Missus das alles verstanden haben, was dieser Mister Smithers da über dich gesagt hat«, erzählte Kaewa.
»Und? Haben sie ihm geglaubt?«
Lizzie musste die Frage stellen, obwohl ihr die Antwort natürlich klar war. Aber wenigstens für den Bruchteil eines Augenblicks wollte sie hoffen, dass die Busbys ihre langjährige unermüdlicheArbeit für die Familie zu schätzen wussten. Vielleicht hatten sie Martin Smithers ja einfach hinausgeworfen. Oder sie schickten einen Brief mit Bitte um Begnadigung nach Van-Diemens-Land. Sie würde sicher gewährt werden – so viel Jahre Bewährung bei einer Familie wie den Busbys zählten mehr als eine Flucht. Aber Ruiha nickte nur.
»Doch, am Ende schon. Zumal du ja auch weg warst. Vielleicht, wenn du dageblieben wärest …«
»Ach was!« Das war Kahu Heke, der endlich vom Meer zurückkehrte. Mit ihm kamen alle anderen Männer, ausgehungert vom Singen und Tanzen für die Götter des Meeres. »Komm bloß nicht auf den Gedanken, zurückzugehen, Elizabeth! Die Weißen trauen jedem nur das Schlechteste zu, auch ihresgleichen.«
Kaewa nickte. »Die Missus hat gesagt, in der letzten Zeit wärest du sowieso verdächtig gewesen. Immer hier im Dorf, sie hätte dir gleich nicht getraut.«
Lizzie schluckte ihre Tränen herunter. Es nutzte nichts, aus verletztem Stolz zu weinen. Sie hatte schließlich schon mehrfach gemerkt, dass ein gottgefälliges Leben anscheinend nicht ihr Schicksal war.
»Hier, iss erst mal was!«, riet Kahu und holte ihr eine Schüssel mit Fleisch und Süßkartoffeln. »Und trink einen Schluck.« Er hielt ihr eine Flasche Whiskey hin. »Vergiss die Busbys! Morgen sind wir auf See!«
Am Morgen belud Kahu das Häuptlingskanu mit Vorräten und Wasser. Lizzie half ihm dabei. Sie fühlte sich gleich besser, als sie das Schiff sah. Bisher hatte sie sich unter Kanu stets eine Art kleines Ruderboot vorgestellt. Aber nun lag die Hauwhenua vor ihr, ein prächtig mit Schnitzereien versehenes Auslegerkanu, der Stolz des Stammes unter Kuti Haoka. Mit den kleinen Booten, in denen die Kinder der Busbys in der Bucht herumzupaddeln pflegten, hatte es lediglich die Form gemeinsam. Ansonsten bot es Platz für bestimmt zwanzig Ruderer oder Passagiere. In der Regel wurde ein Kanu dieser Art nicht durch Muskelkraft, sondern durch Segelvorwärtsbewegt. Der Ausleger sorgte dafür, dass es auch bei stürmischer See nicht kenterte.
Kahu erklärte Lizzie, dass das für ihre Augen höchst
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