Das Gold der Maori - Das Gold der Maori
Groschenromane gekauft und sie verschlungen. Die weitschweifig und oft etwas leiernd vorgetragenen Märchen der Maori blieben für Lizzie ohne rechten Sinn, da zog sie sogar die Gleichnisse der Bibel vor, die doch immerhin kurz und eingängig daherkamen.
Lizzie vermisste die Gesellschaft des Reverends. Er hatte sie nur einmal im Maori-Dorf besucht, sich dort aber nicht sonderlich wohl gefühlt. Die junge Frau hatte den Verdacht, dass die Geister ihm seit Coltranes Tod ein bisschen Angst machten. Zudem schien der Geistliche Kummer zu haben. Jedenfalls hatte er den Kampf um Lizzies Seelenheil wohl vorläufig aufgegeben.
Umso willkommener war ihr Kahus Gesellschaft. Sie dachte nicht ernsthaft daran, seiner Werbung nachzugeben, aber Kahu war seit Wochen der einzige Mensch, mit dem sie Englisch sprechen konnte, und zudem fand sie mit ihm andere Gesprächsthemen als alltägliche Verrichtungen oder das, was sie im Stillen Haingas spirituellen Tand nannte. Immer wieder brachte sie die Rede auf den Weinbau, auf die Politik James Busbys und das Zusammenleben zwischen Maori und pakeha . Kahu ging gern darauf ein – auch er schien sich lieber mit ihr zu unterhalten, als Stammesangelegenheiten mit dem Häuptling und seinen tohunga zu diskutieren oder mit den anderen Kriegern über Jagd und Fischfang zu reden.
Lizzie und Kahu verbrachten täglich viele Stunden zusammen, und die junge pakeha begann, den jungen Maori immer attraktiver zu finden. Kahu war groß und breitschultrig, sein Haar dicht und dunkel wie Michaels, aber nicht lockig, sondern glatt. Es fiel weit über seine Schultern, wenn er den Kriegerknoten löste, zu dem er es meistens zusammenfasste, mit der martialischen Frisur schien er auch seine Strenge und Spannung abzulegen, wenn er mit Lizzie allein war. Sie mochte es, wenn er für sie sang – nicht die kriegerischen haka , sondern dunkle Balladen, die sein Volk wohl schon aus Hawaiki mitgebracht hatte, wo Palmen rauschten und die Nächte auch im Winter warm waren.
Hier in Otago begann es nun zu frieren, Lizzie zitterte nachts in ihrem Zelt, egal wie viele Decken sie über sich häufte.
»Ich sollte nach Dunedin gehen«, seufzte sie eines Morgens, als sie sich völlig verfroren am Feuer wärmte. »Irgendeine Pension mit einem Kamin und einem Badehaus – das muss der Himmel sein!«
»Du kannst doch im Gemeinschaftshaus schlafen«, schlug Haikina, Haingas Tochter, vor.
Lizzie hatte sich in den letzten Wochen mit ihr angefreundet. Auch Haikina sprach Englisch, und sie hatte Lizzie gestanden, dass sie trotz strenger Aufsicht in der Missionsschule mehrere pakeha -Liebhaber gehabt hatte. Wie die meisten freimütigen Maori-Mädchen war sie immer gern bereit, sich über die Qualitäten der verschiedenen Männer auszutauschen, und wurde nicht müde, Michaels sonderbares Verhalten mit Lizzie zu diskutieren.
»Du könntest dich von mir wärmen lassen!«, sagte Kahu Heke. Er fand jetzt immer deutlichere Worte, auch vor anderen Mitgliedern des Stammes.
Lizzie errötete, verwundert, dass sie das wirklich noch konnte. Kahus Werbung erhöhte ihr mana , und natürlich schmeichelte es ihr, dass ein Häuptling sie offensichtlich zur Frau begehrte. Auch von Kahus Ambitionen, sich zum kingi aller Maori wählen zu lassen, hatte sie inzwischen gehört, und manchmal träumte sie vom Leben als seine Königin. Natürlich hatte sie darüber keine genauen Vorstellungen, aber sie stellte es sich doch recht luxuriös vor. Zumindest auf der Nordinsel schien sich das Leben der Häuptlingsfamilie auch abseits des Stammes abzuspielen. Sie hatte das Haus Kuti Haokas nie gesehen, es mochte ein prächtiger Palast sein. Kahu machte darüber keine klaren Angaben, wenn sie vorsichtig Fragen stellte. Aber sie wollte auch kein zu deutliches Interesse zeigen, und achtete darauf, das Thema nicht oft anzuschneiden.
Schließlich ging der Juni, der erste richtige Wintermonat, seinem Ende zu, und das Fest des Jahreswechsels nahte. Die Maori feierten ihr Neujahrsfest – Tou Hou – am ersten Neumond nach Erscheinen Matarikis, des Sternbildes der Plejaden, am Nachthimmel. In diesem Jahr war die Sternenkonstellation spät aufgetaucht, Tou Hou würde erst in den letzten Junitagen stattfinden. Die Ngai Tahu erwarteten dazu wieder mal Gäste – ihre Brüder aus Kaikoura kehrten von ihrer Wanderung in die Berge zurück und würden bei ihnen Station machen. Lizzie dachte mit Wehmut an Chris Timlock, als Kahu ihr das Sternbild zeigte. Sie hatte der kleinen
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