Das Gold der Maori - Das Gold der Maori
hörte Michael auch noch Billys Schreien und Weinen während der Verhöre. Immer wieder versuchten die Ankläger, irgendwelche Informationen aus den Delinquenten herauszuprügeln, aber Michael blieb standhaft, und Billy hatte längst alles gesagt, was er wusste.
Michael ertrug es kaum, die Peitschenhiebe zu hören, die trotzdem auf den Rücken seines Freundes einprasselten; sie schmerzten ihn fast mehr als die Schläge, die er selbst bezog. Billys Verrat hatte er längst vergeben. Es war seine eigene Schuld gewesen. Billy konnte weder mit Geld umgehen, noch wäre er fähig gewesen, das Geschäft mit dem Whiskey weiterzubetreiben. Ihn in den Diebstahl hineinzuziehen war fahrlässig gewesen.
Michael hätte sich besser einen Helfer aus den Bergen geholt oder mit seinen jüngeren Brüdern gearbeitet. Jonny und Brian konnten schweigen. Aber letztlich war er doch davor zurückgeschreckt, die Kinder zum Diebstahl zu verleiten. Bei Billy dagegen war nicht viel Überredungskunst nötig gewesen. Der hatte sich begeistert beteiligt – und das hatten sie nun davon.
Michael selbst galt im Gefängnis bald als hoffnungslos verstockt. Man strich ihm selbst die kargen Portionen Porridge zusammen, von denen die Gefangenen in Wicklow Gaol lebten. Weihnachten 1846 verbrachte er bei Wasser und verschimmeltem Brot im stockdunklen Kerker, dachte an Kathleen und hörte auf Billys Schluchzen in der Zelle nebenan. Verzweifelt klammerte er sichan die schönen Bilder der Vergangenheit. Er beschwor Kathleens weißen Körper im Gras in den Feldern am Fluss, rief sich jeden Kuss in Erinnerung, jede Zärtlichkeit, und dachte an das Kind in ihrem Leib. Es durfte nicht so enden! Michael war entschlossen, zu Kathleen zurückzukehren, auch wenn man ihn ans Ende der Welt verschiffen würde.
Zum Jahresende ließ der Eifer der Rotröcke nach, weitere Geständnisse von Michael und Billy zu erzwingen. Stattdessen erschien ein geschniegelter Mann, dessen Anzug allerdings schon bessere Tage gesehen hatte, und stellte sich als ihr Anwalt vor. Michael hörte, wie Billy ihm noch einmal unter Tränen die gesamte Geschichte erzählte. Er selbst blieb auch dieses Mal stumm. Er glaubte nicht daran, dass der windige Advokat irgendetwas für ihn tun konnte. Auf Diebstahl stand Verbannung. Man würde sie verurteilen. Und das Strafmaß war mehr oder weniger gleichgültig. Wer einmal in Australien landete, kam nie wieder zurück.
Bis jetzt, dachte Michael starrsinnig. Er würde es schaffen. Es gab kein Gefängnis, dem man nicht entfliehen konnte. Um ein ganzes Land vermochte niemand Mauern zu ziehen, und wenn dieses Australien eine Insel war, so würde er eben schwimmen!
Michael sehnte sich danach, Kathleen wenigstens schreiben zu können. Wie die meisten Kinder im Dorf beherrschte er diese Fähigkeit zumindest in Ansätzen, Father O’Brien pflegte die Jungen und Mädchen zu unterrichten. Aber solange er im Kerker saß, war nichts zu machen. Selbst wenn Michael noch einen Penny gehabt hätte, um die Wachen zu bestechen, so hätte er zuerst um eine Lampe bitten müssen. In seinem Verlies konnte er kaum die Hand vor Augen sehen. Und sosehr er Kathleen liebte – er wusste nicht, ob er Feder und Papier wirklich ein paar Scheiten Holz vorgezogen hätte, mit denen man die eisig kalten Zellen hätte heizen können.
Der Anwalt verriet den Häftlingen nun aber wenigstens den Termin ihrer Verhandlung. Anfang Januar würde man sie verurteilen,gleich nebenan im Courthouse. Bei Billy verursachte die Nachricht neue Tränenströme, aber Michael freute sich darauf. Wenn sie erst verurteilt waren, gab es keinen Grund, sie weiter zu quälen. Man würde sie nicht mehr schlagen und zudem in die Zellen oberhalb des Kellers verlegen, wo es sicher wärmer war und das Essen vielleicht besser. Michael schöpfte wieder Hoffnung – und stand seine Verhandlung schließlich stoisch durch, ohne ein Wort zu sagen.
»Ihr könnt das Strafmaß verkürzen, indem ihr euch reuig zeigt!«, bemerkte der Richter, ein kleiner, dünner Mann mit riesiger weißer Perücke, der Michael entfernt an Trevallion erinnerte.
Billy fiel daraufhin fast vor ihm auf die Knie, und auch im Gerichtssaal erhob sich Weinen und Klagen. Grainné Rafferty und zwei ihrer jüngeren Söhne waren anwesend, aber Michael hatte die rundliche Köchin auf den ersten Blick kaum erkannt. Grainné wirkte verhärmt und abgemagert, ihre Kleider fleckig und zerrissen. Offensichtlich hatte man sie des Dorfes verwiesen, und sie schlug
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