Das Gold der Maori - Das Gold der Maori
nicht an Schande. Was kann das arme Kind dafür, dass sein Vater gestohlen hat? Noch dazu aus den edelsten Beweggründen. Aber das rettet dich nicht. Und ich hab nicht die Kraft für eine neue Hölle. Wer weiß, was da am anderen Ende der Welt auf uns lauert?« Bridget seufzte. »Was ich hier hab, weiß ich. Nicht das Paradies, aber besser als so manches andere. Ich wag’s nicht, das aufs Spiel zu setzen. Aber hör nicht auf mich, Kathleen! Wahrscheinlich bin ich nur zu alt. Wenn ich noch mal sechzehn wäre … vielleicht würd ich’s tun. Aber jetzt nicht mehr, Kleines. Tut mir leid.«
Die ältere Frau legte tröstend ihre Hand auf Kathleens Arm. Kathleen seufzte. Sie wusste, dass sie allein es nicht wagen würde. Amerika war nie ihr Traum gewesen, es war Michaels Traum. Mit ihm wäre sie gegangen. Ohne ihn war es hoffnungslos.
Kathleen wählte also den zweiten Weg. Nachdem sie sich von Bridget verabschiedet und noch tausendmal bedankt hatte, machte sie sich auf den langen, steinigen Heimweg in ihr Dorf. Diesmal hielt kein Karren neben ihr, und es war ihr auch recht. Sie hatte keine Eile, anzukommen. Man würde sich sowieso die Mäuler darüber zerreißen, wo sie gewesen war und was sie getan hatte.
Als sie auf halbem Wege war, kam ihr ein Wagen der Rotröcke entgegen. Sie erkannte Billy Rafferty angekettet in dem vergitterten Planwagen. Offensichtlich schaffte man auch den zweiten Dieb nach Wicklow. Billy lag im Stroh und schaute blicklos vor sich hin. Kathleen zog den Schal über ihr Gesicht. Billy Rafferty ging sie nichts an.
Im Dorf verursachte ihre Rückkehr weniger Aufsehen, als sie gedacht hatte. Tatsächlich konzentrierte sich die Aufmerksamkeit der Dörfler eher auf Grainné Rafferty und ihre Familie als auf sie. Die alte Köchin traf das Gesetz mit aller Härte, und Trevallion, der Einzige, der noch Einspruch hätte erheben können, kannte keine Gnade.
Die Miliz hatte am Nachmittag das Haus der Raffertys gestürmt und Grainné und ihre Kinder hinausgetrieben. Die Köchin weinte und bettelte, aber die Schergen der Krone stellten sich taub und stumm. Als die Familie mit den wenigen Besitztümern, die sie rasch hatte retten können, im Freien stand, rissen sie die Wände des Cottages ein und steckten die Trümmer in Brand.
Bridie und ihre Kinder blieben schluchzend zurück. Sie hatten nicht einmal die Möglichkeit, bei irgendeinem anderen Dörfler vorübergehend unterzukriechen. Bis zum Abend mussten sie Wetherbys Land verlassen.
»Schuld daran ist nur dieser Drury …«, wimmerte Grainné und wies auf die anderen rauchenden Trümmer, die einmal die Hütte der Drurys gewesen waren. Allerdings hatten Fiona Drury und ihre Kinder Trevallion nicht die Freude gemacht, die Zwangsräumung abzuwarten. Gleich in der Nacht nach Billys Verhaftung hatten sie sich in die Berge davongemacht.
»Taten immer so christlich, aber letztlich waren sie das gleiche Pack wie ihre Vorväter!«, schimpfte Grainné.
Dabei war Fiona sicher ebenfalls weinend gegangen. Michaels Mutter hatte nie in den Bergen leben wollen. Aber immerhin hatte sie eine Zuflucht gehabt, für Grainné gab es keine Hoffnung.
»Vielleicht findest du ja eine Anstellung in der Stadt«, tröstete Kathleens Mutter. »Die Mädchen sind doch auch bald alt genug, in Stellung zu gehen …«
Die Frauen des Dorfes schoben sich nacheinander schüchtern an die Verfemten heran und steckten ihnen kleine Geschenke zu. Mrs. O’Donnell gab schweren Herzens das letzte Säckchen Korn aus den Geschenkvorräten Trevallions.
Grainné nickte tapfer. Dann zog sie ihren Kindern voraus ins Ungewisse.
Kathleen ertrug die Vorwürfe ihrer Mutter und die Ohrfeigen ihres Vaters ohne Klagen. Sie erzählte nicht, wo sie gewesen war, die Eltern konnten es sich ohnehin an den Fingern einer Hand abzählen.
»Und Trevallion weiß inzwischen auch, was da ablief!«, erregte sich die Mutter. »Der wäre eine so gute Partie gewesen, Kathleen! Aber nein, du musstest dich mit einem Gauner einlassen, einem Dieb und Schwarzbrenner! Das wird dauern, Kathleen, bis darüber Gras gewachsen ist! Hoffen wir mal, dass du wenigstens noch Jungfrau bist …«
Kathleen ließ auch dies unkommentiert. Ihre Mutter würde früh genug merken, dass die Sache nicht so glimpflich abgelaufen war, wie sie hoffte.
K APITEL 6
Die Tage im Kerker waren die Hölle, und es wurde nicht dadurch besser, dass man Billy Rafferty zwei Tage nach Michaels Verhaftung in das Verlies neben ihn sperrte. Im Gegenteil, jetzt
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