Das Gold der Maori - Das Gold der Maori
mich glatt rechtfertigen vor so einem Kerl vom Waisenhaus, der mir reinreden wollt in meine Erziehung! Dabei sorg ich gut für die Kleinen, und ich werd jetzt auch heiraten, damit sie ’nen richtigen Daddy kriegen …« Hannah wies auf Lucius, der gerade tatsächlich nicht betrunken schien. »Und ein hübsches Haus wird er uns kaufen und schöne Kleider! Die müssen nicht hungern, die Kleinen!«
Hannah setzte sich und blitzte Lizzie an. Lizzie meinte, im Boden versinken zu müssen. Natürlich, Hannah konnte nicht die Wahrheit sagen. Sonst würde man ihr die Kinder womöglich wegnehmen …
»Hast du dazu was zu sagen, Elizabeth Owens?«, wandte sich der Richter an Lizzie.
Lizzie schwieg. Sie fand eigentlich, dass Tobys und Lauras ausgemergelte Gesichtchen für sich sprachen – aber immerhin hatte Hannah sich an diesem Tag selbst übertroffen und den Kindern die Nasen geputzt. Ihre Kleider schienen neu zu sein, gebraucht natürlich, aber sauber. Lucius musste wirklich etwas verdient haben, und Hannah hatte die Energie aufgebracht, es ihm zu entreißen, bevor er es versaufen konnte. Vielleicht würde sie das ja in Zukunft öfter tun … Lizzie konnte ihr nur Glück wünschen. Sie zürnte ihr nicht.
Der Rest der Verhandlung zog wie im Nebel an ihr vorbei. Die nichtssagenden Worte des Anwalts, die Ermahnungen und Vorwürfe des Richters, schließlich das Urteil. Deportation, sieben Jahre, wie der Anwalt vorausgesagt hatte. Wie sie später erfuhr, war das nicht schwierig gewesen. Nahezu all ihre Mitgefangenen hatten das gleiche Urteil erhalten. Lediglich die bösartige Ringerin, die wohl jemanden fast umgebracht hatte, war zu zehn Jahren verurteilt worden.
Candy weinte. Sie hatte einen Liebhaber, den sie gern hatte und den sie nicht verlassen wollte. Velvet schien noch eine Spur blasser geworden zu sein. Ihr Freund hatte gegen sie ausgesagt, was ihm allerdings nichts geholfen hatte. Auch er wurde in die Kolonien geschickt.
Der Gefängnispfarrer, dem sich die Frauen einmal in der Woche anvertrauen konnten, wenn sie das Bedürfnis hatten, klärte die Verurteilten darüber auf, welches Schicksal sie genau erwartete. »VanDiemens-Land«, erklärte er freundlich, »ist eine große Insel vor Australien, eine eigenständige Kolonie. Sie ist schon lange besiedelt, also keine Angst vor Eingeborenen – da ist alles britisch. Das Frauengefängnis ist sehr modern. Und es geht bald los. Die Asia V. unter Master John Roskell legt Ende März ab. Auf dem Schiff sind nur Frauen – zumindest ist das so geplant.«
»Wie lange dauert die Überfahrt?«, fragte eines der Mädchen.
»Die Überfahrt dauert ungefähr drei Monate. Ihr Mädchenkommt dann erst mal in die Female Factory, da gibt’s Nähereien und Wäschereien. Aber ein Teil wird auch als Hausmädchen arbeiten, in den Gärten … und manche wird bald heiraten. Da unten gibt’s nur wenige Frauen. Wer sich gut führt und einen ehrbaren Mann findet, kann begnadigt werden. Also lasst den Mut nicht sinken. Gott weiß, was er tut! Er wird mit euch sein in der Fremde, und wenn ihr euch nur ein wenig anstrengt, so wird Jesus euch erretten. Wir werden jetzt zusammen beten … oder … du hast noch eine Frage, Mädchen?«
Lizzie hatte schüchtern die Hand gehoben. »Wenn wir dort arbeiten, Reverend … werden sie … werden sie uns zu essen geben?«
Der Reverend lachte. »Aber natürlich, Mädchen! Die Krone lässt ihre Gefangenen doch nicht verhungern! Gut, die Verpflegung hier mag nicht immer die Beste sein, aber in den Kolonien …«
Lizzie nickte. Sie musste auch im Londoner Gefängnis nicht hungern. Der Fraß war zwar schaurig, aber ausreichend. Sie hatte schon oft weniger und Schlimmeres in den Magen bekommen als den ewigen Haferbrei. Obendrein sollte es in den Kolonien fruchtbares Land geben, und Lizzie war durchaus willens, es selbst zu bearbeiten. Man musste ihr nur zeigen, wie das ging. Und wenn »gut sein« denn nicht mehr bedeutete, verhungern zu müssen, wollte sie es gern noch einmal versuchen.
In dieser Nacht schlief sie, trotz der Flöhe und Läuse in der Zelle und trotz des Weinens und Schnarchens um sie herum, voller Hoffnung ein. Sie wollte ein gottgefälliges Leben führen, auch wenn sie Gott nicht ganz verstand. Vielleicht schickte er sie ja nach Australien, um sie zu retten.
Aber wer rettete dann Toby und Laura?
K APITEL 2
Am Morgen des 23. März wurden die verurteilten Frauen in vergitterten Planwagen auf die Asia gebracht, ein Segelschiff, dessen
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