Das Gold der Maori - Das Gold der Maori
unsere eigene Wolle.« Ian war erfreut darüber, seine junge Frau demnächst auf einer einsamen Farm einsperren zu können.
Doch trotz aller bösen Vorahnungen war Kathleen gespannt auf die Welt jenseits der Berge. Endlich sollte sie mehr von ihrer neuen Heimat sehen als eine Bucht und ein paar Hügel. Insofern versuchte sie, mit Optimismus in die Zukunft zu schauen, als sie Colin und einen Teil ihrer Habe über den Trampelpfad nach Christchurch schleppte. Da die Leute in Port Cooper nun binnen kürzester Zeit einen Ansturm neuer Bürger für Christchurch erwarteten, war er geebnet worden, und seine Überwindung stellte kein großes Wagnis mehr dar. Reittiere wurden dennoch fast immer geführt, meist hielten ortskundige Helfer die Pferde oder Maultiere gegen ein geringes Entgelt am Halfter. Diesem Umstand verdankte der Weg nun auch seinen Namen: Bridle Path.
Ian und Kathleen besaßen zur Zeit des Umzugs drei Tragtiere – aber die brauchte Ian, um die Haushaltsutensilien und Möbel zu transportieren. Zwar konnte man sperrige Teile per Schiff über den Avon in die Plains bringen, aber Ian geizte mit dem Fährlohn. Nach der Überfahrt und dem Kauf des ersten Hauses war von Michaels Geld nichts übrig geblieben. Die Farm finanzierte Ian jetzt schon mit den Erträgen seines eigenen Geschäfts.
Kathleen sagte sich trotzdem, dass ein Teil davon noch ihr und Sean gehörte. Und sie schämte sich nicht mehr für das Geld aus dem Handel mit Whiskey. Schwarzbrennerei war in Irland stetsmit einem Augenzwinkern bedacht worden. Was Ian tat, war weitaus schlimmer.
Kathleen und die Kinder mussten jetzt jedenfalls laufen – wie die meisten Siedler, die als Zwischendeckpassagiere nach Neuseeland kamen. Dabei hatte sie den Vorteil, nicht von der langen Reise geschwächt zu sein, sondern geübt im Hinaufsteigen der Hügel von Port Cooper. Kathleen geriet nicht mehr so schnell außer Atem, aber der erste Teil des Aufstiegs über den Bridle Path war dennoch eine deprimierende Erfahrung. Sie musste den wimmernden Sean, der nicht einsah, warum er den Pass hinaufklettern sollte und weshalb man obendrein sein Haus ausgeräumt hatte, hinter sich herziehen. Die Vorstellung, jetzt ganz woanders, weit weg von seiner geliebten Tante Pere wohnen zu müssen, ängstigte ihn genauso wie seine Mutter.
Dazu war der Weg nicht nur steil, sondern landschaftlich wenig erbaulich. Das Grasland wich bald unwirtlichem Fels, lange Zeit wanderte man durch eine Wüste kahlen grauen Vulkangesteins an Kraterrändern entlang. Sean klammerte sich an Kathleens Hand und Colin an ihren Hals. Kathleen hatte Beklemmungen, noch bevor das erste Drittel des Weges geschafft war, zumal Ian sich nicht die Mühe machte, ihr Mut zuzusprechen. Erst als sie an einer gefährlichen Stelle stolperte, nahm er immerhin Colins Trage und packte sie auf eins der Maultiere.
»Da kann er nicht bleiben, Ian, wenn er sich bewegt, fällt das Ding runter, und er stürzt in den Abgrund.« Kathleen war erschöpft und froh, das Kind nicht mehr schleppen zu müssen, aber der wackelige Sitz auf dem Maultier …
»So ungeschickt, wie du dich bewegst, wird er erst recht abstürzen!«, gab Ian zurück. »Ich werde nicht zulassen, dass du mein Kind in Gefahr bringst!«
Kathleen lag eine böse Erwiderung auf der Zunge, aber sie schluckte sie herunter, als Ian sich jetzt widerstrebend die Trage auf den Rücken schnallte. Man konnte einiges gegen ihn sagen, aber Colin liebte er. Er brachte dem Kleinen sogar manchmal vonseinen Einkaufsfahrten etwas mit. Geschnitzte Pferdchen, geflochtene Bälle, die wohl von den Eingeborenen hergestellt wurden. Colin wusste noch nichts damit anzufangen, aber Sean war entzückt. Kathleen durfte gar nicht daran denken, wie er reagieren würde, wenn er erst begriff, dass Ian all diese Wunder nicht für ihn, sondern ausschließlich für seinen Bruder anschleppte.
Der Aufstieg über die Felsen und den steilen und extrem schmalen Pfad entlang, schien nicht enden zu wollen, aber dann tat sich doch eine Art Plattform vor ihnen auf. Ian schlug vor zu rasten und band die Maultiere an einen Baum. Kathleen hätte jetzt die Brote auspacken müssen, die sie mitgenommen hatte, und sie lechzte nach einem Schluck Wasser. Aber dann überwog doch die Neugier. Sie tastete sich vorsichtig mit Sean an der Hand an den Rand der Plattform.
Was sie sah, überwältigte sie! Kathleen tat sich ein Blick auf eine Welt auf, die sie seit bald zwei Jahren für immer hinter sich gelassen hatte. Vor
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