Das Gold der Maori - Das Gold der Maori
als hörte sie es nicht – schließlich versuchte Colin auch gerade mal wieder, alle Erwachsenen zu überschreien, und Sean musste daran gehindert werden, gleich einzustimmen. Aber es schmerzte natürlich, und es vergällte ihr die neu geschlossenen Freundschaften. Ian war das natürlich recht. Unablässig quälte er Kathleen mit seiner Eifersucht und regte sich auf, weil sie nach Colin nicht gleich wieder schwanger wurde. Ständig war er gereizt. Inzwischen hatte er wohl auch selbst erkannt, dass Port Cooper für ihn nicht der ideale Ort zum Siedeln war.
Kurz nach ihrer Ankunft in Neuseeland hatte man in England die Canterbury Association gegründet, eine Organisation gläubiger Anglikaner, die das Ziel verfolgte, in der neuen Kolonie eine größere Siedlung zu errichten. Man hatte Land in den Canterbury Plains erstanden, einen Tagesmarsch von Port Cooper entfernt. Hier sollte nun eine neue Stadt entstehen – Christchurch, letztlich ein Bischofssitz nach englischem Vorbild. Der Pass über die Berge würde in absehbarer Zeit wegbar gemacht werden.
Man brauchte Tiere für einen Transportservice und Nutzvieh. Ganz sicher würden sich die neuen Bürger von Christchurch damit nicht in Port Cooper eindecken. Ian dachte also an einen Umzug, während Kathleen allein der Gedanke, ihre neuen, freundlichen Nachbarn gleich wieder zu verlassen, in Angst und Unsicherheit stürzte. Als Ian wieder einmal seinen Ärger an ihr ausließ und ihr vorwarf, sie zu betrügen, während er abwesend war, ließ sie sich erstmals zu heftigem Widerspruch hinreißen.
»Du musst mir gerade vorwerfen, zu betrügen! Wer ist denn hier der Rosstäuscher? Ich kann den Leuten ja kaum noch in die Augen sehen, jeder beschwert sich über die alten, lahmen oder güsten Gäule, die du ihm verkauft hast! Und du glaubst doch nicht wirklich, dass das anders wird, wenn wir nach Christchurch ziehen? Oder wirst du dich da plötzlich in einen ehrbaren Kaufmann verwandeln?«
»Genauso ein ehrbarer Kaufmann, wie du eine ehrbare Frau bist!«, brüllte Ian Kathleen an, schlug sie und warf sie aufs Bett.
Er beließ es in der letzten Zeit kaum noch dabei, seine ehelichen Rechte am Abend einzufordern, wenn die Kinder schliefen und Kathleen sich gewaschen und in ein züchtiges Nachthemd gehüllt hatte. Anscheinend befürchtete er, sie könnte irgendetwas zur Verhinderung einer Schwangerschaft anstellen, wenn er sie nicht überrumpelte. Der Kampf vor der Liebe schien ihn überdies zu erregen, und so zwang er Kathleen immer öfter zum Beischlaf,während Colin schrie und Sean Gefahr lief, ins Feuer zu fallen oder sonst etwas anzustellen.
Kathleen konnte sich dabei nicht entspannen. Sie litt Schmerzen und empfand Wut über die Demütigung. Dies hier hatte nichts gemein mit den Freuden der Liebe in den Feldern am Fluss. Kathleen bat Gott um Vergebung für ihre Gefühle, aber sie begann, ihren Gatten zu hassen.
An diesem Tag im Frühjahr sollten Ians Probleme mit der Nachbarschaft jedoch eskalieren. Kathleen schleppte ihren Sohn und ihre Lasten eben an John Seekers Schmiede vorbei und überlegte, ob sie Rast machen sollte. Sean quengelte bereits, auch ihm wurde der Aufstieg lang, und das Wetter war ungewöhnlich warm für den Frühlingsmonat November. Bestimmt hatte Pere ein Glas Wasser für Kathleen und Milch für die Kleinen. Die Maori-Frau war die Einzige, die Kathleen immer noch genauso herzlich behandelte wie bei ihrem Einzug. Dabei hätte doch gerade sie, die das Geheimnis um Seans Abstammung kannte, Grund gehabt, sie zu ächten. Aber bei den Maori dachte man offensichtlich anders.
»Jedes Kind Grund zu Freude, jedes Kind Eigentum von Stamm, jede Frau Mutter, jede alte Frau Großmutter!«, hatte Pere Kathleen beruhigt. Sie erzählte ihr immer wieder von den Sitten ihres Volkes, bei dem auch ein voreheliches Kind kein Grund war, sich zu schämen. »Wenn Mann weiß, dass Frau ist fruchtbar, sie schätzt noch höher!«
Auch der kleine Sean zog Kathleen jetzt in Richtung Haus. Er freute sich, wenn sie Pere besuchten, die ihm Märchen erzählte und ihn mit Zuckerzeug verwöhnte. Zucker war den Maori kostbar – und Pere genoss es, dass er ihr als Frau eines pakeha reichlich zur Verfügung stand. Sie kochte Bonbons, zog Zuckerstangen und backte süße Kuchen, die sie dann freigebig an alle Kinder der Nachbarschaft verteilte.
Aber während Kathleen noch überlegte, ob sie an die Tür klopfen oder heimgehen und mit der Arbeit an der Wolle anfangensollte, hörte sie
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