Das Gold des Bischofs
haufenweise Pilger kommen.«
»Warum?«, fragte Ulfrith. »Die sollten lieber ins Heilige Land ziehen.«
»Weil wir viele Heilige haben«, schnappte Roger beleidigt. Er hörte es gar nicht gern, wenn Leute wie Ulfrith die Bedeutung seiner Heimatstadt in Frage stellten. »Wir haben Cuthbert, den bedeutsamsten von allen, und seine Freunde Aidan und Oswald. Und bald besitzen wir auch Aarons Stab.«
Er warf Geoffrey einen herausfordernden Blick zu. Der seufzte, wollte sich aber nicht schon wieder in ein Streitgespräch über diesen Gegenstand verwickeln lassen.
»Gehören all diese Heiligen schon zu Durham?«, fragte Helbye nachdenklich. »Wenn nicht, dann gibt es vielleicht noch einen Kampf um sie, und wir können der Seite unsere Dienste anbieten, die vermutlich gewinnen wird.«
»Sie gehören alle uns«, erklärte Roger stolz. »Habt ihr noch nie die Geschichte von der Kuh und den Knochen gehört?«
»Klär uns auf«, forderte Geoffrey ihn misstrauisch auf. Er hatte seine Zweifel, ob man aus Rogers Berichten von historischen Begebenheiten überhaupt etwas glauben konnte, so sehr waren sie von Vorurteilen und Unwissenheit verzerrt. Trotzdem war er neugierig.
»Als Cuthbert starb, brachte eine Kuh ihn nach Durham«, erklärte Roger überzeugt. »Diese Kuh teilte Cuthberts Freunden mit, wo sie den Leichnam begraben sollten. Die Leiche war übrigens noch blütenfrisch, und das nach tausend Jahren! Die Kuh jedenfalls befahl seinen Freunden, eine Kirche darüber zu errichten, um ihn gut zu erhalten.«
Geoffrey wandte sich ab, damit Roger sein Lächeln nicht bemerkte. Diese Geschichte über St. Cuthbert hatte er bereits mehrfach gelesen. Als die Mönche auf der abgelegenen Insel Lindisfarne von den Raubzügen der Wikinger bedroht wurden, da bargen sie den Leichnam des Klostergründers aus dem Grab, um ihn an einen sicheren Ort zu bringen. Alle waren überrascht, als sie den Leib nach 200 Jahren unverwest fanden. Das wurde als Wunder anerkannt, und so wurde Cuthbert zum Heiligen erklärt.
Jahrelang waren die Mönche mit dem Leichnam unterwegs, bis sie einem Mädchen mit einer braunen Kuh zu einem Ort namens Dunholm folgten. Die Kuh stolperte, und die Mönche sahen das als Zeichen an, dass sie sich dort niederlassen sollten. Sie gründeten eine Kirche, in der St. Cuthberts Reliquien seither ruhten.
»Ich verstehe«, sagte Ulfrith und erkannte Rogers Version der Geschichte ohne Einwände an. »Und wo kommen die Freunde von Cuthbert ins Spiel, St. Aidan und St. Oswald?«
»Oswalds Arm liegt in Cuthberts Sarg«, erklärte Roger, der nur ungern zugeben wollte, dass er keine Ahnung hatte, und sich daher etwas zurechtspann. »Sie waren zu Lebzeiten gute Freunde, und Cuthbert konnte bei Oswalds Tod den Gedanken nicht ertragen, von ihm getrennt zu sein. Also bewahrte er einen Teil von Oswald stets in seiner Nähe auf, damit er mit ihm reden konnte.«
»Oswald und Cuthbert können überhaupt keine Freunde gewesen sein«, wandte Geoffrey ein, der nicht mit ansehen konnte, wie der leichtgläubige Ulfrith solche offenkundigen Märchengeschichten aufgetischt bekam. »Oswald starb, als Cuthbert noch ein Kind war â¦Â«
Roger unterbrach ihn mit einer Handbewegung. »Nebensächlichkeiten! Das Wichtige ist doch, dass mein Vater all diese Heiligen von der Holzkirche, die ihr neben der Kathedrale sehen könnt, in die prachtvolle neue bringen wird. Und da es die beliebtesten Reliquien von ganz England sind, werden die Pilger von überall heranströmen. Durham wird reicher werden, als man es sich vorstellen kann.«
»Und deshalb ist Flambard auch bereit, den Bau der Kathedrale aus eigener Tasche zu bezahlen«, erklärte Geoffrey Ulfrith. »Er erwartet, dass ihm seine Geldanlage am Ende Gewinn einbringt.«
»Er ist ein Bischof«, meinte Roger gekränkt. »Warum sollte er keine Kathedrale bauen? Durham ist eines der bedeutsamsten Bistümer des Landes, und deshalb sollte sein Bischof auch eine beeindruckende Kathedrale vorweisen können.«
Wie Geoffrey feststellte, lieà Flambard nicht nur eine Kathedrale errichten. Im Schatten des Altarraums entstanden weitere Bauwerke, und hinter Gerüsten wuchsen Teile einer Festungsmauer, die irgendwann einmal vermutlich die gesamte Halbinsel umschlieÃen würde. Flambard würde der Herr einer Gemeinde sein, welche
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