Das Gold des Bischofs
Geheimnisse ausplaudern.
»Ich bin nicht aus dem Norden«, antwortete er ausweichend. »Es ist also unwahrscheinlich, dass ich hier jemanden kenne.«
»Danach habe ich nicht gefragt«, erwiderte Cenred mit mehr Scharfsinn, als Geoffrey ihm zugetraut hätte. »Ich habe gefragt, ob Ihr ihn kennt.«
»Nein«, antwortete Geoffrey knapp.
Das war im Grunde keine Lüge: Geoffrey hatte keine Ahnung, wer »Bruder Xavier« tatsächlich war. Einer Sache allerdings war er sich gewiss: Wie auch immer sich Xavier von einem Benediktiner in einer Hafenschenke zu einem toten Johanniter in Durham verwandelt hatte, es stand mit Flambard und seinen zweifelhaften Angelegenheiten in Verbindung.
»Ich verstehe«, entgegnete Cenred genauso doppeldeutig. »Wie auch immer, selbst der dümmste Mann könnte nicht übersehen, dass ich in dem Moment mit drei Leichen dastehe, wo Roger wieder in meiner Stadt auftaucht.«
»Ich weiÃ, was für einen Ruf mein Bruder in Bezug auf Raufereien hat«, warf Eleanor ruhig ein. »Aber für diese Todesfälle kann man ihn nicht verantwortlich machen. Ihr habt selbst gesagt, der Angriff hätte in der Abenddämmerung stattgefunden, und zu dieser Zeit war er bei mir.«
Cenred erweckte den Anschein, als ob er darüber noch einmal reden wollte. Dann aber nickte er nur und wandte sich an Geoffrey: »Bedeckt ihn und lasst Frau Stanstede ihren Mann sehen, damit wir diesen Ort des Todes verlassen können.«
»Kennt Ihr diesen Mann?«, fragte Geoffrey und zeigte auf Xavier. »Ist das ein Edelmann aus der Gegend?«
Cenred schüttelte den Kopf. »Sein Name ist Xavier de Downey, ein Ritter vom Orden des heiligen Spitals zu Jerusalem. So steht es zumindest in einem Dokument, das er bei sich trug, und ich habe keinen Grund, etwas anderes anzunehmen.«
»Ein Dokument?«, fragte Geoffrey und dachte an Flambards Karten.
Cenred vollführte eine ungeduldige Handbewegung. »Er hatte einen Brief seines GroÃmeisters dabei, der jeden, den es anging, wissen lieÃ, dass dieser Mann im Auftrag der Johanniter unterwegs war. Ein Schreiber aus der Burg hat ihn mir vorgelesen.«
»Und gab es noch irgendwas anderes?«, wollte Geoffrey wissen.
»Nichts«, entgegnete Cenred und legte misstrauisch die Stirn in Falten. »Warum?«
Cenred hatte sichtlich Zweifel, ob Geoffrey nicht doch etwas mit Xaviers Tod zu tun hatte. Und so überlegte Geoffrey, den toten Ritter einfach wieder zuzudecken und Durham zu verlassen, bevor man ihn offen beschuldigte. Aber die Fragen, die sich in seinem Kopf beinahe überschlugen, waren viel zu verlockend, und seine Neugier gewann die Oberhand über den gesunden Menschenverstand.
Er traf eine Entscheidung, zog das Laken ganz von Xaviers Leiche und lieà es auf den Boden gleiten. Dabei achtete er weder auf Eleanor, die erschreckt nach Luft schnappte, noch auf Cenreds entrüstete Nachfrage, was ihm denn dabei einfiele. Als Erstes fiel Geoffrey auf, dass man Xavier in die Brust geschossen hatte, denn der Wappenrock hatte ein Loch und einen kreisrunden Blutfleck. MüÃig fragte er sich, ob das Geschoss wohl rot gewesen war.
Er musterte die Wunde genauer und stocherte mit dem Finger darin herum. Eleanor schrie entsetzt auf, und Cenred stürmte zur Tür und rief nach den Kriegern, die drauÃen warteten. Schnell trat Geoffrey von dem Leichnam zurück und hob die Hände, um zu zeigen, dass er fertig war.
»Schaut Euch das an«, sagte er zu Cenred. »Der Wappenrock ist blutbefleckt, aber wenn man darunter nachtastet, so stellt man fest, dass das Kettenhemd den Mann geschützt hat. Die Spitze des Geschosses hat die Haut geritzt, aber nicht tief genug, um ihn umzubringen.«
»Was sagt Ihr da?«, wollte Cenred wissen. »Selbstverständlich starb er an der Pfeilwunde.«
»Das tat er nicht. Der Pfeil hat die Rüstung nicht durchdrungen. Dieser Mann ist auf irgendeine andere Weise zu Tode gekommen.«
Cenred musterte Geoffrey mit einer Mischung aus Unbehagen und Misstrauen. »Woher wisst Ihr solche Dinge? Seid Ihr ein Wundarzt?«
»Nein, aber ich habe schon viele Männer gesehen, die im Kampf getötet wurden. Und ich sage Euch, dieser Mann starb nicht an einem Pfeil.«
»Was macht das für einen Unterschied?«, fragte Eleanor mit erstickter Stimme. Geoffrey zuckte schuldbewusst zusammen. Bei der Fülle von Fragen, die ihn gerade
Weitere Kostenlose Bücher