Das Gold des Bischofs
Schau dir das Wetter an! Da kommst du nicht weit.«
Widerwillig pflichtete Geoffrey ihm bei. Ein dichter Schneefall hatte eingesetzt und legte ein weiÃes Tuch über StraÃen, Dächer und Felder. Wenn es so weiterging, saÃen sie womöglich tagelang hier fest. Geoffreys Hund hatte schon arge Mühe. Der Schnee war zu tief für seine kurzen Beine, und er keuchte heftig, während er mit ihnen Schritt zu halten suchte. Sie stapften durch Owengate und weiter Richtung Kloster. Roger zögerte, dann fasste er Geoffrey am Arm und zog ihn auf das schäbige Gassengewirr zu, das den Raum zwischen Kathedrale und Schloss einnahm.
»Bevor wir den Prior treffen, will ich noch mal nach Simon schauen«, sagte er und zerrte Geoffrey zu einer schmalen Gasse, in der die Häuser so eng beieinanderstanden, dass kaum noch Raum zum Durchgehen blieb. »Vielleicht ist er gestern noch in einer Schenke hängen geblieben und gerade erst zurückgekehrt.«
»Er war sehr verängstigt von dem Ãberfall gestern Abend. Vielleicht zieht er es vor, Durham zu meiden, solange du noch hier bist.« Und damit hätte er nicht ganz Unrecht, fand Geoffrey. Solange die Karte sich in Rogers Händen befand, war vermutlich niemand sicher.
Roger schüttelte den Kopf. »Nur weil Simon kein Ritter ist, ist er noch lange kein Feigling.«
Geoffrey wusste nur zu gut, dass nicht alle Ritter tapfer waren, so wenig wie alle Nicht-Ritter ängstlich. Allerdings hatte er den starken Verdacht, dass Simon nicht der mutigste Mann in der Stadt war, ganz gleich, was Rogers Familiensinn dagegen anführte. Simon war während des Angriffs wie erstarrt gewesen â er hatte sich zu einer Kugel zusammengerollt, bis alles vorüber war. Es würde Geoffrey nicht im Mindesten überraschen, wenn der Mann geflohen war. Oder tat er ihm Unrecht, und Simon hatte wirklich Cenred von dem Ãberfall berichten wollen, war dabei aber dem entkommenen Angreifer über den Weg gelaufen? Wie auch immer: Sein Verschwinden gefiel Geoffrey überhaupt nicht.
Roger führte sie durch enge Gassen mit winzigen Hütten, die den abgestandenen, ranzigen Geruch von Armut verströmten. Dann hielt er vor einem Haus an, das besser instand gehalten war als die meisten. Er hämmerte so heftig gegen die Tür, dass Brocken von dem Verputz abblätterten und sich der ständig wachsenden Schneedecke am Boden anschlossen. Es kam keine Antwort. Roger zerrte an einem der Fensterläden, bis sich das Scharnier verbog, und hielt es dann fest, damit sie durch den Spalt zwischen Laden und Mittelpfosten spähen konnten.
Das Haus war einfach angelegt und bestand nur aus einer einzelnen Kammer mit angebauter Küche sowie dem über eine hölzerne Treppe erreichbaren Schlafboden. Das untere Zimmer war zweigeteilt: In dem einen Bereich standen ein Tisch, ein Hocker und eine Bank; die andere Hälfte war zu einem Tierpferch umgebaut, in dem im Augenblick nicht einmal ein Hühnchen untergebracht war. Die Asche in der Feuerstelle war kalt und weiÃ, und vereinzelte Schneeflocken schwebten vom Kamin herab auf die schmutzigen Binsen am Boden. Nichts war zu sehen, auÃer einem Stück Brot auf dem Tisch und einem Topf mit kalter Suppe, der über dem erloschenen Feuer hing. Simons Haus war leer.
»Kannst du dich da reinzwängen und mal umsehen?«, fragte Roger und zog die Fensterläden noch ein Stück weiter auf.
Geoffrey starrte belustigt auf den schmalen Spalt. »Nicht ohne mich komplett auszuziehen und dann noch ein paar Wochen zu hungern. Siehst du von hier aus, ob die Tür von innen verriegelt ist?«
»Warum?«, wollte Roger wissen und lieà die Fensterläden mit einem Knall zuschnappen. »Was hilft uns das?«
»Wenn die Tür verriegelt ist, muss Simon dort drinnen sein«, erklärte Geoffrey geduldig. »Vielleicht liegt er oben und schläft. Gibt es einen Hintereingang?«
Rogers Gesicht hellte sich auf. Ihm war gar nicht der Gedanke gekommen, dass sie einen anderen Weg hinein finden könnten. Seine früheren Versuche hatten sich darauf beschränkt, heftig gegen die Tür zu schlagen, bis Dellen im Holz zurückblieben, und dabei so laut zu rufen, dass die Nachbarn herbeigeeilt kamen, um nachzusehen, was los war.
Geoffrey folgte ihm durch eine Gasse, die so eng war, dass sie sich nur seitwärts hindurchzwängen konnten. So gelangten sie an eine robuste Mauer aus
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