Das Gold des Bischofs
war ohne Zweifel genau das gleiche wie das, worauf Ranulf Flambard seine Schatzkarten gezeichnet hatte.
6. K APITEL
Geoffrey blickte nachdenklich unter die Schublade. Er hatte zwei Möglichkeiten: Er konnte das Pergamentstück an Ort und Stelle belassen, damit Simon es später abholte, oder er konnte es sich genauer ansehen. Er war geneigt, der Vernunft zu folgen und es in Ruhe zu lassen. Aber Flambard hatte von drei Empfängern gesprochen: Prior, Goldschmied und Sheriff. Da Simon keiner dieser drei war, hätte er auch keine der Karten besitzen sollen. AuÃerdem: Wenn Geoffreys Verdacht richtig war und der Angriff gestern Abend mit Rogers Karte zusammenhing, dann war es vielleicht Simon gewesen, der Wiesel verraten hatte, dass Roger die Nacht in Eleanors Haus verbringen wollte.
Geoffrey runzelte die Stirn. Tat er Simon Unrecht, wenn er ihn mit Wiesels Angriff in Verbindung brachte? SchlieÃlich war Simon ebenso in Gefahr gewesen wie Roger und Geoffrey. Und wusste Simon überhaupt von diesem verdächtigen Stück Pergament in seinem Haus? Womöglich hatte es jemand ohne sein Wissen hinterlegt. Geoffrey rieb sich den Kopf und dachte an Xavier, der tot in der Schlosskapelle lag. War er einer der drei Boten Flambards? Flambard hatte bestritten, dass er Xavier und Odard dafür einsetzen würde, aber der Bischof war kein ehrlicher Mann. Er mochte durchaus gelogen haben, um sie zu schützen, falls Roger in Schwierigkeiten geriet und den Inhalt seines Auftrags verraten musste.
Oder war Xavier in einer ganz anderen Angelegenheit im Norden gewesen? Vielleicht hatte er sich von dem vergrabenen Schatz verlocken lassen, wie Flambard es von anderen befürchtet hatte, und wollte ihn selbst finden. Und was war mit Odard, dem zweiten Begleiter Flambards? Hatte auch dieser unter mysteriösen Umständen den Tod gefunden? Und wenn ja â was sagte das über Rogers Sicherheit aus?
Geoffrey fasste in Gedanken zusammen, was er über Xaviers Tod wusste. Er und sein Knappe waren mit acht anderen Personen unterwegs gewesen, als man sie angegriffen hatte. Cenred ging davon aus, dass sie in einen Hinterhalt der Gesetzlosen geraten waren, die die StraÃe von Durham nach Newcastle unsicher machten. Aber was, wenn Cenred Unrecht hatte? Was, wenn Xavier die für den Goldschmied oder den Sheriff bestimmte Karte bei sich getragen hatte und die Reisegruppe deshalb angegriffen worden war?
Geoffrey kratzte sich am Kopf. Wenn dem so war, war Simons Schatzkarte dann die von Xavier? Hatte Simon demnach Xavier getötet? Aber Cenred zufolge hatte der Hinterhalt in der Abenddämmerung stattgefunden, und zu diesem Zeitpunkt war Simon bei Geoffrey gewesen und hatte in Eleanors Stube zu Abend gegessen. Simon konnte also weder selbst den Mord begangen noch die Karte gestohlen haben. Natürlich konnte er durchaus von dem Angriff gewusst oder ihn in Auftrag gegeben haben. Immerhin hatte Flambard seinem Sohn Roger das Geheimnis des verborgenen Schatzes anvertraut â warum also nicht auch seinem anderen Sohn Simon?
Ohne weiteren Aufhebens griff Geoffrey nach dem Pergament, riss es von der Schublade ab, entfaltete es auf der schmierigen Tischplatte und glättete die Kniffe. Es war ohne Zweifel eine von Flambards Skizzen. Sie zeigte zwei gewellte Linien, die Flüsse darstellten, und einen dunkleren, kräftigeren Strich, der wohl eine StraÃe sein sollte. Flambard hatte ihm damals verraten, dass eines der drei Dokumente solche Merkmale enthielt.
Unwillkürlich lächelte er über dessen Gerissenheit. Selbst mit dieser und Rogers Karte blieb der Schatz unauffindbar, solange sie nicht wussten, wo die Flüsse und StraÃen lagen. Sie konnten überall sein, selbst auÃerhalb der Grafschaft. Aber vermutlich hatte Flambard seinen Schatz nicht allzu weit von der Kathedrale vergraben: Je weiter er von Durham entfernt lag, umso gröÃer wäre die Gefahr, dass Flambard seinen Zielort nicht erreichte. Geoffrey fragte sich ohne viel Hoffnung, ob Roger den Verlauf der Flüsse erkennen und auf diese Weise den Ort ausfindig machen könnte. Dann könnten sie das Gold ausgraben und es Prior Turgot ohne weitere Umschweife übergeben.
Und was jetzt?, überlegte Geoffrey, während er auf das Pergament blickte. Sollte er es wieder anheften und sich nicht weiter in ein Geheimnis verwickeln lassen, das bereits mehreren Menschen das Leben gekostet hatte? Oder sollte er es gleich dem Prior
Weitere Kostenlose Bücher