Das Gold des Bischofs
Wache.«
»Du musst nicht aufpassen â wir tun nichts Unrechtes.« Aber Geoffrey redete ins Leere. Roger war schon bis zum Ende der Gasse geflitzt, ehe Geoffrey noch darauf hinweisen konnte, dass die Sorge um Simons Wohlergehen kein Verbrechen war und es keinen Grund zur Verstohlenheit gab. Er schüttelte verärgert den Kopf und sprang in den Hof.
Dieser bestand aus einer freien Fläche mit einer Länge von vielleicht zehn Lanzen sowie zwei Schuppen, in denen vermutlich das Schwein untergebracht gewesen war, wenn es nicht den Pferch in der Stube belegt hatte. Nichts regte sich zwischen den Anbauten, und die Türen der Schuppen waren geschlossen und verriegelt. Roger hätte keine Angst vor einem persönlichen Rachefeldzug des Schweins haben müssen â es wäre gar nicht herausgekommen.
Normalerweise war die Fläche des Hofes wohl mit struppigem Gras bewachsen, aber der Schneefall hatte eine dichte Decke aus pudrigem Weià darüber gebreitet, und Geoffrey hinterlieà auf dem Weg zur Hintertür tiefe FuÃabdrücke. Dort angekommen, rüttelte er am Griff, aber sie war abgeschlossen. Eines der Fenster war allerdings nur angelehnt, so dass er es einfach aufhebeln und einsteigen konnte.
Geoffrey fand sich in dem Anbau wieder, der als Küche diente. Hier gab es nichts auÃer einem gekachelten Herd, einem Eimer gefrorenen Wassers auf einem Ständer sowie einem verstopften Ablauf. Es war nicht gerade der reinlichste Raum, der Geoffrey bisher untergekommen war, und er verzog das Gesicht, als er auf glitschige Gemüseschalen trat und ein Geruch nach abgestandenem Fett und altem Qualm in seine Nase zog.
Eine Tür führte von der Kochnische zu einem Flur, an dessen anderem Ende man in die Stube gelangte; die Stufen zum Boden befanden sich zu seiner Rechten. Geoffrey ging in den Wohnraum und zur Vordertür, um zu sehen, ob sie innen von einem Riegel gehalten wurde. Er stellte fest, dass nur zwei kräftige Schlösser Roger drauÃen gehalten hatten.
Rasch sah er sich in dem Raum um und erwartete halb, dass Simon auftauchte und ihn zur Rede stellte, weil er in sein Haus eingedrungen war. Aber niemand kam, und alles sah so aus, als wäre Simon einfach hinausgegangen und hätte seine Habe eingeschlossen, genau wie jeder Mann, der eine Weile fortzubleiben gedachte. Schon wollte Geoffrey wieder gehen, als er auf eine gelblich weiÃe Ecke aufmerksam wurde, die unter dem Tisch hervorragte. Neugierig kniete er sich hin, um sie näher zu betrachten.
Der Tisch war primitiv gezimmert, eher ein Behelf aus zusammengenagelten Brettern als ein Möbelstück. An einem Ende befand sich eine kleine Schublade, in der Messer und andere Hilfsmittel untergebracht werden konnten, wenn sie nicht gebraucht wurden. Unter dieser Schublade lugte eine Ecke Pergament hervor.
Geoffrey duckte sich tiefer und sah, dass jemand ein Schriftstück an der Unterseite festgenagelt hatte, vermutlich, um es zu verbergen. Das konnte man kaum als ein originelles Versteck ansehen, und wer immer es dort angebracht hatte, hätte es so tun sollen, dass nichts davon zu sehen war. Aber vermutlich war dieses Versteck gut genug für ein Testament oder eine Besitzurkunde, die man sicher verwahren wollte, die aber nicht unbedingt geheim sein musste. Jedoch gingen ihn die persönlichen Angelegenheiten von Rogers Bruder nichts an, und so richtete Geoffrey sich wieder auf und ging zurück in Richtung Hof. Er wollte Simons Haus verlassen und endlich dafür sorgen, dass Roger die Karte überbrachte, bevor sie wieder durch irgendetwas abgelenkt würden. Dann hielt er inne und blickte zu dem Pergament zurück. Es kam ihm vage vertraut vor, und er zögerte.
Simon lebte in bescheidenen Verhältnissen, und seine Abneigung gegen Geoffrey schien einzig und allein darauf zu beruhen, dass dieser lesen konnte. Warum sollte ein Mann, der das Lesen und Schreiben so sehr verachtete, solchen Wert auf ein Schriftstück legen, dass er es bei sich versteckte? Noch dazu war das Pergament von guter Qualität, also nichts, was ein Analphabet mit bescheidenem Auskommen kaufen würde.
Nachdenklich trat Geoffrey zum Tisch zurück und ging wieder in die Hocke. Dann streckte er die Hand aus und betastete das Schriftstück. Tief in seinem Inneren regte sich Unbehagen, als ihm wieder einfiel, wo er solches Pergament schon mal gesehen hatte. Roger trug so eines unter seinem Wappenrock: Das Pergament
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