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Das Gold des Columbus

Das Gold des Columbus

Titel: Das Gold des Columbus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christa-Maria Zimmermann
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Paradies, Pablo. Und wir haben eine Hölle daraus gemacht.«

kapitel 14
    F ernan lehnte den Rücken gegen den warmen, nach Harz duftenden Palisadenzaun und malte mit den bloßen Zehen Muster in den Sand. Manchmal sah er zum Rand des Urwalds hinüber. Wo die Abgesandten der Kaziken nur blieben? Früher wäre er ungeduldig geworden, aber das hatte er sich längst abgewöhnt.
    »Hätte auch nicht gedacht, dass ich mal ein so faules Leben führen würde.« Die Stimme kam von der anderen Seite der Palisade und gehörte Carlos Alonso, dem Zimmermann, der mit dem Matrosen Ambrosio Gorricio die Nahrungsmittel zu den Schiffen tragen sollte. »Jahrelang schuftet man sich die Seele fast aus dem Leib und auf einmal gibt es nur noch Feiertage. Hast du mal ausgerechnet, wann du das letzte Mal ein Segel gerefft hast? Vor einem halben Jahr! Himmel, was war das eine Schinderei. Da liege ich doch lieber im warmen Sand und lass mir die Sonne auf den Pelz brennen. Und das Beste ist, dass das Nichtstun auch noch bezahlt wird. Solange die ollen Kähne nicht abgesoffen sind, kriegen wir unsere Heuer.«
    »Du versuchst bloß wieder mal, die gute Seite zu sehen, das kenne ich schon an dir«, sagte Ambrosio mürrisch. »Aber hast du mal ausgerechnet, wann wir das nächste Segel reffen werden? Am Sankt-Nimmerleins-Tag, wenn du mich fragst. Es kann nämlich gut sein, dass deine Feiertage bis an dein Lebensende reichen. Und dann nützt dir die ganze Heuer nichts mehr. Wobei ich mir gar nicht sicher bin, dass sie uns die überhaupt zahlen. Wie kannst du behaupten, dass unsere Kähne nicht abgesoffen sind? Das Wasser steht fast bis zum Oberdeck und...«
    »Genau. Das sag ich doch. Sie liegen noch im Wasser und nicht auf dem Grund des Ozeans.«
    »Mach dir doch nichts vor, Mann! Was macht ein Schiff zu einem Schiff? Dass man damit übers Meer fahren kann. Und können das unsere Kähne? Nein, das können sie nicht. Und sie werden’s auch nie mehr können, denn keine Macht der Welt wird sie wieder zum Fahren bringen, selbst eine ganze Kompanie von Kalfaterern nicht samt Werg und Pech. Und die haben wir nicht und werden sie auch nicht kriegen.« Ambrosio schlug zur Bekräftigung seiner Worte mit der Faust gegen die Palisaden. »Das sind keine Schiffe mehr, das sind hölzerne Inseln. Oder meinetwegen Wohnungen mit Meerblick. Wie ich den Kardinal Fonseca und seine Pfennigfuchser kenne, so erklären die uns glatt, dass mit der Landung in Santa Gloria unsere Heuer beendet war. Denn man kann statt Landung auch Schiffbruch sagen und dann ist’s aus mit der Heuer.«
    »Du bist ein alter Schwarzseher, Ambrosio. Wir könnten alle bei den Fischen liegen, machst du dir das überhaupt klar? Stattdessen sind wir alle gesund und munter...«
    »Ja, hast du denn keine Augen im Kopf?«, unterbrach ihn Ambrosio wütend. »Gesund und munter nennst du das? Die Hälfte der Mannschaft ist krank. Wie wandelnde Leichen sehen sie aus. Du übrigens auch. Lazarus nach drei Tagen im Grab war’ne Schönheit gegen dich!«
    »Ich hab keinen Spiegel. Und auf Schönheit ist es mir noch nie angekommen. Mir genügt, dass ich am Leben bin und genug zu essen habe.«
    »Genug zu essen? Bist du eigentlich übergeschnappt? Weißt du, was uns pro Tag zusteht? Ein Pfund Zwieback, ein halbes Pfund Pökelfleisch und ein Liter Wein! Von dem Liter Öl und Essig im Monat ganz zu schweigen. Na, wann hast du das letzte Pökelfleisch gesehen? Und den letzten Zwieback?«
    »Das stimmt nicht, Ambrosio, das weißt du genau. Bei Flaute werden die Rationen halbiert. Und die Indianer bringen jeden Tag Cassavabrot, das schmeckt doch so ähnlich wie Zwieback.«
    »Spiel du nur den Hungerkünstler. Du warst ja auch schon immer eine halbe Portion«, sagte Ambrosio abfällig. »Aber unsereins braucht vernünftiges Essen! Mestre Bernals sagt, die Männer sind wahrscheinlich deshalb so krank, weil ihnen die gewohnte Nahrung fehlt. Wenn die Eingeborenen von ein paar Früchten und Fischen leben können, meinetwegen. Aber ich brauche Fleisch. Und vor allem brauche ich Wein. Und der steht mir auch zu. Wenn wir wenigstens... He, was ist los mit dir?«
    Einige Augenblicke lang herrschte Stille. Dann hämmerte Ambrosio gegen die Palisade. »Der alte Carlos ist umgekippt.«
    Fernan schob den Balken beiseite, der die Öffnung verschloss. Kein Mann durfte sie durchschreiten, außer mit schriftlicher Erlaubnis des Admirals. Fernan passte den Balken ein und legte die hölzerne Stange davor, sodass die Palisade wieder

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