Das Gold des Columbus
geschlossen war. Der Admiral hatte den Männern erklärt, dass ein Angriff der Indianer nicht auszuschließen war, aber Fernan wusste, dass er eher Übergriffe der Matrosen auf die Eingeborenen verhindern wollte.
Carlos lag zusammengekrümmt im Sand, das Gesicht so eingefallen und gelb wie das einer Leiche, die Augen geschlossen.
»Dabei hat er die ganze Zeit geschwätzt wie ein Wasserfall«, sagte Ambrosio verblüfft. »Und auf einmal sieht er aus, als ob er den Löffel abgeben muss.«
»Hol Mestre Bernals!«
Ambrosio lief zu den Schiffen und schrie nach dem Arzt. Fernan kniete sich neben den Zimmermann und fühlte nach dessen Puls. Er klopfte schwach, aber regelmäßig.
»Bück dich runter zu mir«, zischte Carlos. »Ich muss dir was sagen. Tu so, als ob du nach meinem Herzschlag horchen willst.«
Erstaunt gehorchte Fernan.
»Die Porras-Brüder haben ihre Augen überall«, flüsterte Carlos hastig. »Ambrosio ist auf ihrer Seite. Er sollte aufpassen, dass ich nicht mit dir rede. Die zwei Porras führen was im Schilde. Gegen den Admiral. Aber weil sie wissen, dass ich auf alle Fälle zu deinem Vater halte, erfahre ich nichts mehr. Sie haben schon eine Menge Männer auf ihrer Seite. Du musst dich anschleichen und sie belauschen. Sie treffen sich abends immer am Strand zum Rauchen. Sie...«
»Psst!«, machte Fernan und hob den Kopf.
Die Stiefel des Arztes knirschten im Sand. Er hielt es für unter seiner Würde, barfuß zu laufen wie die Matrosen.
»Sein Herz schlägt noch, Mestre Bernals.«
»Bist du inzwischen nicht nur Dolmetscher, sondern auch Arzt? Dann hättest du mich ja nicht zu rufen brauchen«, sagte Mestre Bernals übellaunig. »Gestattest du, dass ich die weitere Behandlung übernehme?«
Fernan murmelte eine Entschuldigung und beeilte sich, dass er wieder an seinen Platz vor der Palisade kam. Früher war der Arzt immer von fast kriecherischer Freundlichkeit gewesen. Ob auch er auf Seiten der Porras-Brüder stand? Fernan hatte die zwei erst in den letzten Monaten näher kennen gelernt, weil man sich auf den gestrandeten Schiffen nicht aus dem Weg gehen konnte so wie bei Hofe, wo er ihnen immer ausgewichen war, obwohl sie sich geradezu aufdringlich um ihn und Diego bemüht hatten.
»Hüte dich vor den beiden«, hatte sein Onkel ihn gewarnt. »Sie sind Spione von Kardinal Fonseca.«
Der Kardinal hatte auch dafür gesorgt, dass die Brüder an der Reise teilnehmen durften. Francisco de Porras war Titular-Kapitän auf der Santiago , bezog also das Gehalt eines Kapitäns, ohne seine Befugnisse zu haben. Diego de Porras war als Vertreter der Krone Zahlmeister und Notar der Flotte. Er sollte überwachen, dass die Majestäten den ihnen zustehenden Anteil an allen entdeckten Schätzen erhielten, und außerdem Urkunden über Inbesitznahme von Land oder Verträge mit fremden Herrschern ausfertigen.
Die zwei sind die typischen Höflinge, überlegte Fernan, während er wieder vor der Palisade auf die Abgesandten der Kaziken wartete. Sie sind aalglatt, undurchschaubar, Meister höflicher Formulierungen mit hämischem Hintersinn. Aber ob sie es wirklich wagen würden, sich gegen den Admiral aufzulehnen? Der Vater handelte schließlich im Auftrag und Dienst der Könige. Doch allein die Tatsache, dass Carlos Alonso den Sohn des Admirals gewarnt hatte, war eine Antwort auf diese Frage.
Die Angewohnheit der Indianer, die zusammengerollten Blätter eines Strauches zu rauchen, hatte inzwischen auch bei den Matrosen Schule gemacht. Es würde den Hunger dämpfen und die Sinne benebeln, sagten sie. Auf den Schiffen war das Rauchen verboten; zu gefährlich war da das Hantieren mit offenem Feuer neben den Blätterdächern der Hütten. Deshalb durften die Männer nur am Strand rauchen, zwischen den Schiffen und den Palisaden.
Am Anfang hatten nur wenige Männer dort gesessen, aber in den letzten Wochen waren die Porras-Brüder zu ihnen gestoßen, und seither war die Gruppe ständig gewachsen. Natürlich!, schoss es Fernan durch den Kopf. Hier konnten weder der Adelantado noch Kapitän de Terreros hören, was geredet wurde. Was hatte der Zimmermann gesagt? »Du musst dich anschleichen und sie belauschen.« Fernan nickte. Genau das würde er heute Abend tun.
Sobald die plötzliche Dunkelheit der Karibik die Schiffe einhüllte, tat der Junge so, als ob er den Abtritt am Heck benutzen müsste, und glitt ins Wasser. Eine dunkle Mütze, tief über die Ohren gezogen, verdeckte seine Haare, die von der Sonne zu einem hellen
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