Das Gold des Columbus
Strohblond ausgebleicht worden waren. Er war inzwischen ein Meister im Schwimmen und bewegte sich schnell und geräuschlos in einem weiten Bogen von den Schiffen weg zum Ufer, in den Bereich außerhalb der Palisaden.
Er stand nicht auf, sondern robbte auf dem Bauch aus dem Wasser. Der Mond hing als Sichel am Himmel und gab kaum Licht, aber die großen, funkelnden Sterne verliehen dem Abend eine sanfte Helligkeit. Das muss ich riskieren, dachte Fernan und hoffte, dass wer immer in diesen Augenblicken zum Ufer sah, ihn für eine große Schildkröte halten würde. Sobald er im Schutz der Palisaden angelangt war, fühlte er sich sicherer. Auf allen vieren kroch er weiter. Er hatte die Hoffnung, dass die Männer möglichst weit entfernt von den Schiffen und damit näher an den Palisaden sitzen würden.
Auf einmal wölkte ihm scharfer Rauch ins Gesicht. Er unterdrückte mühsam einen Hustenreiz und rutschte näher. Wie konnte man bloß dieses stinkende Zeug einatmen? Fernan sah hinter den Ritzen der Palisade rote Punkte glühen. Sehr gut! Er war jetzt dicht neben ihnen, nur durch die Stämme von ihnen getrennt. Die Männer rauchten schweigend.
»Worauf warten wir denn noch?«, fragte einer schließlich. »Es kommen noch ein paar Neue.« Das war die Stimme von Francisco de Porras mit dem harten kastilischen Akzent. »Wenn die auch mitmachen, sind wir genug.«
Fernan hob den Kopf und blinzelte durch einen Spalt zwischen den Stämmen. Gegen den sternenfunkelnden Himmel zeichneten sich einige dunkle Umrisse ab, die näher kamen. Die Männer ließen sich neben den anderen im Sand nieder und zündeten ihre Blätterrollen an. Die Flammen, die von den Feuersteinen sprangen, beleuchteten für einige Augenblicke ihre Gesichter, aber Fernan konnte keines erkennen, er sah nur glühende Augen, struppige Bärte, knochige Nasen, klobige Finger. Mit heißem Schreck fiel ihm plötzlich ein, dass sich die Flammen in seinen Augen spiegeln mussten. Hastig kniff er die Lider zusammen und ließ den Kopf auf die Hände sinken.
Als alle rauchten, ergriff Kapitän Porras wieder das Wort. »Wir sind hier zusammengekommen, um über Möglichkeiten zu beraten, Jamaica zu verlassen. Und zwar ohne den Admiral, und wenn nötig, auch gegen ihn. Wer ein solches Unternehmen ablehnt, der sollte jetzt besser unsere Versammlung verlassen. Es wird ihm nichts geschehen, falls er den Mund hält. Wer redet, ist erledigt. Wir wissen genau, wer heute zum ersten Mal hier ist und wie man für einen Unfall sorgen kann. Also überlegt es euch.«
Er machte eine Pause. Niemand rührte sich. Nur Fernan hob vorsichtig wieder den Kopf. Die Enden der Blätterrollen leuchteten in der Dunkelheit. Er versuchte, sie zu zählen. Das waren mindestens vierzig!
»Gut. Ich fasse jetzt für unsere neuen Freunde kurz unsere bisherigen Überlegungen zusammen. Vor einem halben Jahr sind die beiden Kapitäne aufgebrochen. Fieski hatte den Befehl, sofort zurückzukommen, um die geglückte Überfahrt zu melden. Aber er ist nicht wieder aufgetaucht. Und ein Schiff ist auch nicht gekommen. Das legt folgende Vermutung nahe...«
»Sie sind alle abgesoffen«, sagte einer grob.
»Aber, aber, mein guter Pedro, wir wollen doch etwas Dezenz wahren.« Das war die näselnde Stimme von Diego de Porras, der den Seeleuten gerne zeigte, dass er bei Hofe verkehrte. »Die Männer waren immerhin unsere Kameraden.«
»Hat sich was mit Kameraden!« Das war der Grobe wieder. Er klang wie Pedro de Ledesmo. »Fieski ist Genuese und die Genuesen sind von Natur aus falsch und geldgierig. Wie wir alle aus Erfahrung wissen.«
Gelächter und zustimmende Rufe ertönten.
»Wenn sie nämlich nicht abgesoffen sind und trotzdem kein Schiff schicken, dann gibt’s auch dafür gute Gründe. Der Alte hat den beiden wahrscheinlich aufgetragen, gleich weiter nach Spanien zu fahren. Sie sollen überall ausposaunen, dass El Dorado gefunden ist. Dann müssen ihm die Könige alles zurückgeben, was sie ihm genommen haben.«
»Dein Eifer ist zwar lobenswert, Pedro, aber wir kommen nicht weiter, wenn jeder drauflosredet und sagt, was ihm gerade durch den Kopf geht«, sagte der Kapitän ungeduldig. »Übrigens ist uns dieser Gedanke auch schon gekommen. Wobei ich deine Schlussfolgerung, dass die Könige ihm alles zurückgeben müssen, nicht unbedingt unterschreiben würde. Denn man könnte den alto viaje auch als einen grandiosen Fehlschlag bezeichnen. Zwei Schiffe sind bereits verloren, zwei sind manövrierunfähig und
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