Das Gold des Columbus
raubten. Für uns bedeutete das eine große Bedrängnis, denn sie brachten die Indianer auch gegen uns auf, und diese lieferten uns immer weniger Lebensmittel, sodass wir große Not litten und ...
Fernan legte den voll geschriebenen Bogen auf die Seite, steckte die Feder ins Tintenfass und ging zur Truhe, um einen neuen Bogen zu holen. Neben dem Stapel mit Pergamentblättern lag ein dickes Buch. Es roch muffig, denn der Vater hatte während seiner langen Krankheit die Truhe nicht geöffnet. Jetzt ging es ihm besser und er machte seinen täglichen Spaziergang auf Deck. Fernan nahm das Buch heraus, etwas Luft würde den Seiten gut tun.
Fernan schwankte, als er sich wieder aufrichtete. Ihm war schwindelig vor Hunger. Ein Teil der Meuterer war tatsächlich zu den Schiffen zurückgekehrt, aus Zorn über den Verlust ihres Goldes. Bei der zweiten Seefahrt der Kanus hatten sie alles über Bord werfen müssen, um das nackte Leben zu retten, nur von ihren Waffen hatten sie sich nicht getrennt. Der Admiral hatte ihnen verziehen, aber die Rückkehrer vergrößerten das Nahrungsproblem noch.
Fernan setzte sich an den Tisch und schlug das Buch auf. Ephemerides ab anno 1475 - 1506 81 stand auf dem Titelblatt, und darunter der Verfasser: Regiomontanus.
Fernan erinnerte sich, dass sein Astronomielehrer auch ein Exemplar gehabt hatte und dass man darin den Stand von Sonne, Mond, Sternen und Planeten nachlesen konnte. Er begann zu blättern. Endlose Tabellen! Ob sich der Vater dafür interessierte? Vielleicht konnte man damit Berechnungen anstellen, die für die Seefahrt wichtig waren. Fernan schlug das Jahr 1504 auf. Jetzt war Ende Februar und der Mond war fast voll. Ob das auch verzeichnet war?
Er schlug den zweiten Monat auf. 29 Tage? Das musste etwas mit der Kalenderreform zu tun haben. Fernan hatte vergessen, wie sie funktionierte, aber alle vier Jahre war der Februar um einen Tag länger, das hatte er behalten. Aber warum war an diesem Tag ein dicker schwarzer Punkt verzeichnet anstelle des Mondes? Er fragte den Vater, als der hereinkam.
Der Admiral starrte das Buch an, als ob er eine Erscheinung hätte. »Bei Sankt Nikolaus, mein Sohn! Das ist unsere Rettung! Der Heilige selbst muss dir die Hand geführt haben, als du das Buch nahmst und aufschlugst. Ich hatte es vergessen! Ich hatte es tatsächlich vergessen! In drei Tagen ist der 29. Februar. Das lässt uns hoffentlich genügend Zeit. Wir müssen sofort eine Abordnung zum nächsten Kaziken schicken und ihn bitten, Botschaften an die anderen zu senden. Je mehr Indianer kommen, desto besser!«
Seine großen grauen Augen funkelten, sein bleiches Gesicht hatte sich gerötet, er sah auf einmal aus, als ob er nie krank gewesen wäre. Fernan betrachtete ihn ratlos.
Der Admiral lachte. »Wir werden ein Fest geben, Fernan. Ein großes Fest. Und ich werde in den Mastkorb klettern wie in meinen jungen Jahren. Ich sehe, du verstehst mich nicht. Ob dein Onkel und der Kapitän wohl schlauer sind?«
Aber die beiden verstanden die Begeisterung des Admirals auch nicht. Erst als er ihnen seinen Plan erklärt hatte, strahlten sie genauso wie er.
»Lass mich alleine in den Urwald gehen«, bat Fernan. »Die Indianer kennen mich. Ich bin sicher, sie tun mir nichts. Und ich weiß auch schon, wie ich sie dazu bringe, dass sie kommen.«
Er machte sich auf den Weg ins erste Dorf, den er vor sieben Monaten mit Kapitän Méndez, Pablo und den drei Juans gegangen war. Er dachte an die Fahrt ins Dorf des Quibian von Veragua, die der Dolmetscher so kaltblütig angetreten hatte. Jetzt bin ich der Dolmetscher, dachte der Junge. Aber ich bin allein. Ob meine beiden Freunde wirklich tot sind, wie fast alle Matrosen glauben?
Er merkte bald, dass er gar nicht allein war, sondern dass viele Augen ihn beobachteten.
»Bringt mich zu eurem Kaziken«, rief er. »Ich habe eine wichtige Botschaft von meinem Vater, dem König von Indien.«
Die Indianer führten ihn in ihr Dorf. Alle Bewohner versammelten sich, als Fernan seine Botschaft ausrichtete.
»Ein großes Fest wollt ihr feiern?«, wiederholte der Kazike verwundert. »Aber ihr habt nichts zu essen.«
»Wir feiern unsere Feste anders«, erklärte Fernan. »Mein Vater wird mit den Göttern reden. Und sie werden zu ihm sprechen. Die Götter werden ihm eine Botschaft geben für alle Bewohner von Jamaica.«
Der Kazike dachte lange nach.
»Ich werde meine Brüder benachrichtigen«, sagte er schließlich. »Wir werden kommen.«
Am Abend des 29.
Weitere Kostenlose Bücher