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Das Gold des Columbus

Das Gold des Columbus

Titel: Das Gold des Columbus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christa-Maria Zimmermann
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Wasserfällen; hier badet man fast nie und trägt stinkende Kleider. Er glaubt, dass die Spanier Kleider tragen, weil sie alle Missbildungen haben, die sie unter Stoffen verstecken müssen.«
    »Aber Baden ist gefährlich!«, sagte Pablo überzeugt. »Die Haut wird davon immer dünner. Und man kann doch nicht ohne Kleider gehen! Das ist - das ist einfach unvorstellbar! Schamlos! Man würde in die Hölle kommen, denn es ist eine schwere Sünde.«
    »Das hat ihm der Priester auch gesagt. Er wollte ihn in der christlichen Lehre unterrichten. Aber Mantamaguari hat sie nicht verstanden. Wenn Gott nach der Schöpfung sah, dass alles gut war, warum konnte dann durch die guten Früchte eines guten Baumes Schuld in die Welt kommen? Warum war die Schlange böse? Auf seiner Insel sind die Schlangen nicht böse. Und sie fressen auch keine Früchte. Niemand hat je eine Schlange mit einem Apfel im Maul gesehen.«
    »Aber das ist doch…«, fing Pablo an, aber Diego Méndez winkte ab.
    »Ich wiederhole ja nur, was er gesagt hat. Der Priester hat ihm die Kirchen gezeigt, aber in Mantamaguaris Augen sind sie Orte der Strafe und Abschreckung, weil sich vor den Portalen die Krüppel und Lahmen und Bettler drängen. Weißt du, dass der heilige Franziskus sich ähnliche Gedanken gemacht hat? Wie können all diese geputzten Herrschaften auf ihren Pferden und in ihren Sänften den ständigen Anblick von Elend und Lumpen, von schwärenden Wunden, von verstümmelten Gliedern aushalten, ohne Scham und Reue zu empfinden?, hat er gefragt.«
    Pablo sah ihn unsicher an. »Aber wenn es keine Armen mehr gibt, dann können doch die Reichen keine guten Werke tun.«
    »Das stimmt. Aber jetzt stell dir ein Land vor, wo es weder Reiche noch Arme gibt, sondern alle Leute gerade so viel besitzen, dass sie davon leben können.«
    Pablo betrachtete den Palast, an dem sie gerade vorbeigingen. Den gäbe es also nicht, sondern alle Menschen wohnten in den gleichen Häusern. Die vierspännige Kutsche, die ihnen entgegenkam, gäbe es auch nicht, sondern jeder hätte nur ein Pferd. Oder vielleicht auch nur einen Esel. Die Hidalgos auf der Treppe des Palastes trügen weder Samt und Seide noch Barette mit Federn und Stiefel mit Goldsporen und die Dame in der Sänfte dort drüben wäre gekleidet wie seine Stiefmutter.
    Er schüttelte energisch den Kopf. »Das kann ich nicht. Mir das vorstellen, meine ich. Das gibt es nicht.«
    »Ich gebe zu, es klingt sehr unwahrscheinlich. Wie... ja, wie eine Art Paradies, von dem man nur träumen kann. Aber vielleicht ist es doch kein Traum. Und vielleicht werde ich dieses Land sehen. Ist das nicht wunderbar? Wenn ich daran denke, dass...«
    »Ich traue meinen Augen nicht! Diego Méndez! Seit wann bist du in Sevilla?«, rief ein Mann auf der anderen Straßenseite.
    Der Escudero schwenkte seine Kappe. »Sei mir gegrüßt, mein Freund! Leb wohl, Pablo. Ich hoffe, wir sehen uns noch, bevor die Capitana segelt. Ich werde jeden Vormittag auf den Stufen der Kathedrale sein.«
    »Adios, Señor! Ich komme bestimmt!«
    Der Junge sah den beiden Herren nach, die, lebhaft miteinander redend, um die Straßenecke bogen. Seit Miguel auf See war, hatte niemand mehr so mit ihm gesprochen wie dieser Señor Méndez - so als ob er sich wirklich für ihn und seine Gedanken interessiere.
    Pablo überlegte. Der Vater wollte seine Ruhe haben, die Stiefmutter erwartete, dass er ständig arbeitete, und beiden sollte er in allem gehorchen. Und selbst Miguel, den er am liebsten hatte, spielte sich manchmal als großer Bruder auf. Die Seeleute im Celler mochten ihn, weil er ihren Geschichten zuhörte. Die Jungen aus der Nachbarschaft folgten ihm, weil er ein Mundwerk hatte, das noch schneller war als seine Fäuste. Der Lehrer... na ja, der verprügelte ihn wenigstens nicht mehr, seit er so gut lernte, und manchmal lobte er ihn sogar.
    Aber noch nie hatte ihn jemand gefragt, ob er sich ein Land vorstellen könne ohne Arme und Reiche. Oder hatte ihm von den Gedanken des heiligen Franziskus erzählt - sehr beunruhigenden Gedanken übrigens. »Wie können all diese geputzten Herrschaften auf ihren Pferden und in ihren Sänften den ständigen Anblick von Elend und Lumpen, von schwärenden Wunden, von verstümmelten Gliedern aushalten, ohne Scham und Reue zu empfinden?« Diesen Satz würde er sich merken.

kapitel 3
    G rübelnd und ohne auf das Gedränge der Menschen, Pferde, Esel, Kutschen und Sänften in den Straßen zu achten, ging Pablo nach Hause. Er bemerkte

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