Das Gold des Columbus
können. Er war in die Alhambra 26 von Granada eingeladen und in Gnaden wieder aufgenommen worden und die Könige hatten ihm seine Titel und Privilegien bestätigt. Fernan hatte seinen Vater während der Audienz bei den Herrschern gesehen und war entsetzt gewesen über seine weißen Haare, die tiefen Falten im Gesicht und seine abgemagerte Gestalt. Er hatte nicht seinen prächtigen Admiralsmantel mit dem leuchtend roten Seidenfutter getragen, sondern eine Franziskanerkutte mit einem Strick als Gürtel.
Ein Rippenstoß riss Fernan aus seinen Gedanken. »Träumst du schon wieder mit offenen Augen? Komm, lass uns endlich gehen.«
»Und der Buchdrucker?«
»Schon erledigt. Du hättest ruhig zuhören können, wie ich mit ihm geredet habe, dann hättest du nämlich gesehen, wie man so etwas richtig macht.« Ohne eine Antwort abzuwarten, ging Diego eilig die Straße hinauf.
Fernan bemühte sich, mit ihm Schritt zu halten. »Warum hackst du eigentlich ständig auf mir herum?«
»Das ist doch wieder typisch! Du bist so empfindlich wie eine Mimose. Ich hacke nicht auf dir herum, ich versuche, dir etwas beizubringen. Aber du bist so faul und störrisch wie ein Muli. Das muss dir endlich mal jemand sagen!« Diego holte tief Luft. »Jeder Junge in Spanien wäre froh, wenn er Page am königlichen Hof sein könnte. Und was machst du aus dieser Chance? Nichts! Du bist in keinem einzigen Fach ausgezeichnet. Und im Reiten und Fechten auch nicht. Du zockelst einfach so mit und strengst dich nicht an. Unser Vater braucht Verbündete am Hof! Du hast doch in den letzten Monaten gesehen, wie viele Feinde und Neider er hat. Deshalb müssen wir erstklassige Höflinge werden, nur so können wir ihm helfen.«
»Ich würde lieber mit ihm zur See fahren.« Jetzt war es heraus.
Diego blieb stehen und starrte seinen kleinen Bruder an. »Mit ihm zur See fahren? Hast du den Verstand verloren? Du warst doch noch nie auf einem Schiff! Was willst du da?«
»Ich war heute auf der Capitana! Und die hat mir besser gefallen als alle spanischen Residenzen. Ich würde lieber Seemann sein als Höfling. Im August werde ich vierzehn. Also muss ich jetzt bald anfangen, wenn ich es richtig lernen will. Es gibt eine ganze Menge Schiffsjungen, die sind noch jünger als ich. Aber Vater hat auch mit vierzehn angefangen, sagt Onkel Bartolomé.«
Diego blies verächtlich die Luft durch die Lippen. »Vater ist der beste Seemann, den die Welt je gesehen hat. Das geben sogar seine Feinde zu. Was soll er da mit dir? Er braucht dich nicht. Er braucht Vertraute am Hof, die ihm den Rücken freihalten.«
»Aber ich will lieber Seemann werden.«
Diego ballte einen Augenblick lang die Fäuste. Fernan duckte sich, aber der Ältere hatte sich schon wieder gefangen.
»Es kommt nicht im Geringsten darauf an, was du willst«, sagte er kalt. »Ich möchte bloß wissen, wer dich auf diese schwachsinnige Idee gebracht hat? Es kommt allein darauf an, was unser Vater will. Und der hat uns als Pagen am königlichen Hof untergebracht. Und eigentlich müsstest ausgerechnet du besonders dankbar dafür sein, finde ich. Also werden wir am Hof bleiben. Verstanden?«
Fernan spürte, wie eine heiße Welle über sein Gesicht ging. Er nickte hastig, wobei er dem Blick des Älteren auswich. Der ging weiter, ohne ihn zu beachten. Fernan schlich hinter ihm her. Er kam sich vor wie geohrfeigt. Er hatte sofort verstanden, worauf Diego anspielte mit seinem »ausgerechnet du«. Er war nur Diegos Halbbruder.
Das wäre nicht weiter schlimm gewesen. Mütter starben im Kindbett, Väter auf dem Schlachtfeld, und aus neuen Ehen, manchmal sogar aus dritten oder vierten, stammten die Halbgeschwister. Auch Diegos Mutter, eine portugiesische Adelige, war tot. Christóforo Colón war mit dem kleinen Diego aus Lissabon nach Spanien gegangen und hatte ihn bei den Mönchen im Kloster Rabida bei Palos erziehen lassen. In Cordoba hatte er Beatriz de Araña kennen gelernt und sich in sie verliebt. Aber er hatte sie nicht geheiratet - trotz Fernans Geburt im August 1488.
Fernan war erst sechs gewesen, als ihn Onkel Bartolomé zusammen mit Diego an den königlichen Hof gebracht hatte, damit sie dort als Pagen erzogen wurden. Ein paar Bilder aus Cordoba waren in seinem Gedächtnis haften geblieben: das weiß gekalkte kleine Zimmer, in dem er mit der Mutter schlief. Das vergitterte Fenster, an dem sie jeden Abend saß und ihm zum Einschlafen Salve, regina mundi oder Bendita la hora vorsang, so wie sich das
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