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Das Gold des Columbus

Das Gold des Columbus

Titel: Das Gold des Columbus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christa-Maria Zimmermann
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war. Dann beugte er den Kopf und trank aus dem stehenden Becher.
    »Und Miguel? Ist er... ist er...« Pablo brachte das Wort nicht über die Lippen.
    »Nee, tot isse nich. Aber se ham ihn geschnappt.«
    Auf einmal konnte Pablo das betrunkene Stammeln nicht mehr ertragen. Er ging in die Küche. Seine Stiefmutter stand am Herd und rührte heftig in einem Topf. Es roch nach Kutteln. Sie drehte sich nicht um, als sie seine Schritte hörte.
    Pablo räusperte sich. »Woher wisst ihr überhaupt, was passiert ist?«
    »Sein Freund war hier. Juan aus Sanlucar. Der ist über Bord gesprungen, als die Piraten die Marigalante geentert haben. Besser tot als in den Händen der Mauren, hat er gesagt. Er hat sich an ein Paddel geklammert und ist zur Küste geschwommen.« An Ines’ Stimme hörte Pablo, dass sie geweint hatte. »Aber Miguel wollte nicht mit. Er hatte Angst, dass die Marigalante beim Untergehen alle Schwimmer mit auf den Grund zieht. Er hat sich die Kleider von einem toten Passagier angezogen, damit ihn die Piraten für einen reichen Mann halten, für den man Lösegeld kriegt.«
    Pablo ließ sich auf einen dreibeinigen Küchenschemel sinken, schwach vor Erleichterung. »Aber das ist doch eine gute Idee, findest du nicht?«
    Seine Stiefmutter schnäuzte sich in ihre Schürze. »Juan sagt, sie sehen an seinen Händen und Füßen sofort, dass er ein Seemann ist. Reiche haben keine abgebrochenen Nägel und Hornhaut und Schwielen. Und selbst wenn sie’s glauben - sie verkaufen auch Reiche als Sklaven.«
    Miguel ein Sklave? Pablos Magen krampfte sich zusammen. Die Bilder, die er täglich in und um Sevilla sehen konnte, bekamen auf einmal etwas Gespenstisches. Vor wenigen Stunden noch hatte er neben den Männern in den riesigen Rädern des Hafenkranes gesessen, die sie von morgens bis abends in Bewegung halten mussten wie die Esel, die ans Schöpfrad gefesselt waren. Er kannte die Schwarzen, die die schweren Weinschläuche schleppten und die Wasserfässer für die Schiffe füllten, oft mit Eisenketten an den Füßen, wenn sie einen Fluchtversuch gewagt hatten. Er hatte auch die Gefangenen gesehen, die an die Ruderbänke der Galeeren geschmiedet waren. In einer weit entfernten Stadt irgendwo im Norden Afrikas würde bald Miguel zum zahllosen Heer der Sklaven gehören, der Peitsche eines Aufsehers, den Quälereien eines grausamen Herrn ausgeliefert.
    Pablo stöhnte. Wie lange würde Miguel ein solches Leben durchstehen?
    »Knarrpp, knarrpp!«, machte Loro leise.
    Pablo musste an den abgemagerten Indianer denken, der einsam in seiner Stallkammer im Sterben lag. Ob dieses Ende auch Miguel bestimmt war?
    »Knarrpp, knarrpp!«, wiederholte Loro lauter. Es klang tröstend.
    Ines Alvarez fuhr herum. Sie brauchte einige Augenblicke, um sich zu fassen. »Ein Papagei? Wo hast du den denn her?« Ihre Stimme klang scharf vor Argwohn.
    »Der Indianer beim Grafen Osuna liegt im Sterben. Der hat ihn mir geschenkt. Er heißt Loro.«
    »Geschenkt? Das glaubst du doch selbst nicht! Weißt du nicht, was so ein Vogel wert ist?«
    »Na klar weiß ich das. Aber was soll er mit Geld, wenn er tot ist? Der Indianer, meine ich. Er hat mir sogar einen Sack mit Mais gegeben, als Futter für Loro.«
    Ines Alvarez zog den Löffel aus dem Topf, den Blick unverwandt auf den Papagei gerichtet. Soße tropfte ins Feuer und verbrannte zischend. »Meinst du, du könntest ihm ein paar Wörter beibringen? Stell dir vor, was wir dann für einen Zulauf hätten! Vielleicht könnten wir dann das Lösegeld für Miguel zusammensparen.«
    Pablo hob die Schultern. »Ich weiß nicht, ob alle Papageien reden können. Hat der Matrose damals nicht behauptet, dass man dafür einen Schnitt unter der Zunge machen muss?«
    »Keine Ahnung. Ich hab keine Zeit gehabt, ihm zuzuhören. Du könntest ja mal bei den Matrosen auf den Indien-Schiffen nachfragen.«
    Das würde bedeuten, dass er täglich zum Hafen gehen könnte! Aber nach einigem Nachdenken schüttelte Pablo traurig den Kopf. Manchmal kamen wochenlang keine Schiffe aus Indien. Und selbst wenn er Loro das Reden beibringen könnte, das würde bestimmt lange dauern. Und das Sparen noch viel länger. Miguel war jung und stark. Er würde auf dem berüchtigten Sklavenmarkt von Tanger bestimmt einen guten Preis erzielen. Und entsprechend hoch würde die Summe für einen Freikauf sein.
    Auf einmal hatte er die Stimme von Señor Méndez im Ohr: »Ganz sicher wird er neue Reichtümer entdecken, wenn man ihm Zeit lässt, danach zu

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