Das Gold des Columbus
die anderen Schiffsjungen.«
Der Kapitän betrachtete ihn verblüfft. »Weiß Seine Hochwohlgeboren davon?«
Der Junge errötete. »Ich bin ganz sicher, dass ich in seinem Sinne handele.«
»Nun, wenn Ihr wirklich sicher seid, Don Fernan... äh, ich wollte sagen… also gut, Fernan. Melde dich beim Maat, der ist für dich zuständig. Ah, da kommt der Lotse. Ihr entschuldigt mich jetzt sicher... äh, wollte sagen... äh, such dir einen Rancho, Fernan.«
Der Kapitän begrüßte den Lotsen und begleitete ihn zum Bug, ganz offensichtlich erleichtert, nicht länger mit seinem vornehmen Grumete reden zu müssen. Die Männer zerstreuten sich.
»Letzten Anker lichten!«, rief der Kapitän dem Piloten zu. Der wiederholte den Befehl mit der Pfeife. Die Matrosen in der Schaluppe 40 auf dem Fluss hievten die Kette an die Gangspille. Langsam hob sich der Anker aus dem Wasser.
»Hol über! Hol über!« Die Matrosen im Beiboot klatschten im Takt in die Hände.
Fernan sah Pablo ratlos an. »Was ist ein Rancho?«
Pablo erklärte es ihm. »Mein Bruder sagt, es gibt für einen Seemann nichts Wichtigeres als seine Kiste und seinen Rancho. Im Rancho isst man, schläft man, lebt man. Er ersetzt die Familie und das Zuhause.«
»Hast du schon einen?«
Pablo nickte. »Mit ein paar Leuten aus Sevilla.«
»Meinst du, die würden mich auch nehmen?«
»Hm… ich weiß nicht.« Auf einmal einen jungen Don als Kameraden zu haben, das war bestimmt nicht jedermanns Geschmack.
Fernan errötete wieder. Er hatte sich eingebildet, dass sich jeder bei so einer Frage geschmeichelt fühlen würde. Jetzt musste er einsehen, dass er noch viel zu lernen hatte.
Pablo überlegte. Ohne den Sohn des Admirals wäre er gar nicht an Bord. Die Flotte würde ohne ihn fahren und er könnte von Reichtümern nur träumen. Außerdem hatte Fernan Loro vor dem brutalen Kerl gerettet. Und er hatte sich sogar noch für gestern bedankt...
»Komm mit!« Pablo führte Fernan zu seinem Rancho. »Das ist Fernan. Er will zu uns kommen. Er ist in Ordnung.«
Die Sevillaner rückten bereitwillig zur Seite und schwatzten weiter.
»Sehr vernünftig vom Admiral, erst in Cadiz an Bord zu gehen«, sagte Estebans Vater. »Den Guadalquivir hinunter bis nach Sanlucar de Barrameda, das ist das langweiligste Stück der ganzen Reise. Und das gefährlichste außerdem. Deshalb fahren wir ja so langsam. Ein Wanderer am Ufer würde uns leicht überholen. Im Schnitt legen wir nicht mehr als zwölf Kilometer pro Tag zurück. Das heißt, wir brauchen eine gute Woche für die neunzig Kilometer bis nach Cadiz.«
»Es gibt nur wenige Flüsse, die so tückische Untiefen und Sandbänke haben wie der Guadalquivir. Deshalb gibt es hier auch so viele Wracks. Und die machen dieses verflixte Flussbett noch zusätzlich gefährlich. Hab schon oft gedacht, dass es auf dem ganzen weiten Ozean nicht so gefährlich ist wie an den Ufern. Soll ich euch erzählen, was auf der ersten Fahrt des Admirals passiert ist - in Sichtweite vom Ufer und ausgerechnet am heiligen Weihnachtsfest? Ich war nämlich dabei.« Er tippte mit zwei Fingern an seine rote Seemannskappe und blickte zu Fernan hinüber. »Carlos Alonso, Zimmermann auf der Santa María.«
Fernan grüßte etwas verlegen zurück. Die anderen rückten näher.
»Also, vor Española war’s. Wir hatten ein paar anstrengende Tage hinter uns. Erst Besuch beim Kaziken, so nennen die Indianer ihre Fürsten. Dann Gegenbesuch des Kaziken Guacanagari auf unseren Schiffen. Natürlich nicht alleine, sondern mit einem Teil seiner Untertanen. Über hundert voll besetzte Kanus paddelten um uns rum. Das war vielleicht ein Gewimmel! Mehr als tausend Menschen müssen an Bord gekommen sein, beladen mit Geschenken. Nicht, was ihr denkt, nein, sondern getrocknete Fische und Brot und Kürbisflaschen mit Trinkwasser und Maiskörner. Aber einige goldene Schmuckstücke waren auch dabei. Und ein paar Indianer, mit denen sich der Admiral verständigen konnte. Die erzählten ganz bereitwillig von den vielen Goldlagern im Inneren der Insel. Klang alles sehr verheißungsvoll. Jedenfalls sind wir am 24. 12. 92 unter Landwind in See gestochen und am 25. 12. von der Sankt-Thomas-Bucht zur Punta Santa gesegelt, immer unter Anleitung des Admirals. Der wittert Riffe und Untiefen, die kein Mensch sonst sieht.«
»Stimmt das, dass er zaubern kann?«, fragte Esteban flüsternd. »Ach was. Er ist der beste Seefahrer aller Zeiten, das ist besser als zaubern. Also: Vier Seemeilen vom
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