Das Gold des Columbus
zerschmettert auf den Klippen. Er atmete tief, steckte das Messer in den Gürtel und streichelte die Papageien.
Plötzlich machte der Weg eine Biegung. Der Junge blieb stehen. Direkt unter ihm lag ein Sandstrand, der im Licht der aufgehenden Sonne funkelte, als ob er aus fein gemahlenen rosa Edelsteinen bestünde, und dahinter eine Lagune, die in allen Farben leuchtete wie die Fenster der Kathedrale von Sevilla. In den durchsichtigen Rot-, Grün- und Blautönen bewegte sich etwas Dunkles, tauchte unter und wieder auf. Ein Arm platschte aufs Wasser, dann ein Bein. Tropfen spritzten. Da schwamm jemand.
Pablo ging langsam über den funkelnden Sand zum Rand der Lagune, die keckernden Papageien noch immer auf den Schultern. Jetzt hatte der Jemand ihn gesehen, schwamm auf ihn zu und erhob sich aus dem Wasser. Es war ein Mädchen. Sie schimmerte vor Nässe, die Sonne färbte ihre Haut rotgolden. Sie kam näher und betrachtete ihn erstaunt.
»Wieso hast du meine Loros? Sie gehen sonst nie zu Fremden.«
»Oh, ich... ich habe mit ihnen gesprochen und da sind sie gekommen.«
»Du hast mit ihnen gesprochen? Kannst du auch die Sprache der Loros? Nicht nur unsere?«
»Ein bisschen. Krah, knirp, krah. Krah, knirp, krah«, machte Pablo.
Die Papageien antworteten und krähten vergnügt.
Sie stand jetzt dicht vor ihm. Er sah die schmalen braunen Farbstreifen, die von der Nasenwurzel über die ausgeprägten Wangenknochen zu den Ohren liefen. Es mussten Tätowierungen sein, keine Bemalungen, sonst wären sie im Wasser verlaufen. Ihre Augen waren mandelförmig und dunkel, mit langen Wimpern. Die dichten schwarzen Haare, über den Brauen kurz geschnitten, fielen ihr bis weit über die Schultern. Angestrengt versuchte Pablo, die Blicke auf ihrem Gesicht zu halten und den zierlichen nackten Körper nicht zu beachten. Sie schnupperte auf einmal und krauste die kleine, gebogene Nase.
»Du stinkst«, sagte sie unverblümt. »Komm ins Wasser.«
Sie drehte sich um, machte ein paar große Sprünge, dass das Wasser spritzte, und tauchte unter. Sie kam empor, beide Hände voller Sand, massierte damit Haare, Arme, Oberkörper und spülte ihn bei einem erneuten Untertauchen ab. Offensichtlich wollte sie ihm zeigen, wie man sich wäscht.
Pablo betrachtete sie unschlüssig. Er konnte doch nicht mit allen Kleidern in die Lagune springen. Schon gar nicht mit den Stiefeln, die er nur für Landgänge aufgespart hatte. Zögernd bückte er sich und zog die Stiefel aus, dann die Strümpfe. Die stanken tatsächlich. Die Papageien erhoben sich flügelschlagend und flatterten davon.
Pablo grub die Zehen in den weichen Sand. Wenn er mit den anderen Jungen im Guadalquivir geschwommen war, dann hatten sie auch nur Hemd und Hose angehabt, und manchmal hatten sie sogar das Hemd ausgezogen. Aber dann war auch kein Mädchen dabei gewesen! Er suchte das Wasser ab. Sie war nicht mehr zu sehen. Er streifte Jacke und Weste ab und ließ sich ins Wasser fallen. Es schmeckte nur ganz schwach salzig. Wie sonderbar! Er schwamm ein paar Stöße und musterte verwundert das Ufer. Da, in der Böschung des Urwalds war eine Flussmündung.
Plötzlich tauchte das Mädchen neben ihm auf. Sie musste unter Wasser geschwommen sein!
»Gib das her!« Sie zeigte auf seine restlichen Kleider.
Aber er konnte sich doch nicht nackt ausziehen! Das war... das war einfach unvorstellbar! Schamlos! Er würde es beichten und büßen müssen, denn es war eine schwere Sünde. Er öffnete den Mund, um ihr das zu erklären, und klappte ihn wieder zu. Gab es überhaupt ein Wort für Sünde? Oder für Verbot?
Er betrachtete sie ratlos. Sie sah so glatt aus und so golden in dem durchsichtigen Wasser. Ob sie sich wohl vor ihm ekelte? Was hatte der sterbende Indianer damals zu Señor Méndez gesagt? Dass er noch nie so viel Schmutz und Gestank erlebt hätte wie in Spanien, dass alle Menschen nach Schweiß stänken und dass sie Kleider trugen, um ihre verkrüppelten Körper zu verbergen.
Pablo überlegte. Wie lange hatte er sich nicht mehr gewaschen? Und seine Kleider? Er wollte nicht, dass sich das Mädchen vor ihm ekelte! Er schwamm zu Jacke, Weste und Strümpfen am Strand und trug sie durchs Wasser zur Flussmündung. Eigentlich hätte er Seife oder wenigstens Aschenlauge haben müssen, aber klares Flusswasser war besser als nichts.
Die Wäscherinnnen am Guadalquivir prügelten stark verschmutzte Stücke mit Holzprügeln oder auf Steinen, fiel ihm ein.
Er nahm eine Hand voll Steine und
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