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Das Gold des Columbus

Das Gold des Columbus

Titel: Das Gold des Columbus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christa-Maria Zimmermann
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rubbelte damit den Stoff. Dann zerrte er an seinem nassen Hemd und zog es sich über den Kopf. Schließlich streifte er sogar die Hose ab und behandelte beide mit Steinen. Immerhin stehe ich bis fast zum Hals im Wasser, also bin ich gar nicht richtig nackt, beruhigte er sich. Er hängte die nassen Sachen über die Zweige eines Strauches am Flussufer. Sonne und Wind würden sie bestimmt schnell trocknen.
    Pablo sah hinter dem Mädchen her, das in die Lagune hinausgeschwommen war und auf die schmale Öffnung zum Meer hinsteuerte. Sie war jetzt so weit weg, dass er gerade noch ihren Kopf erkennen konnte. Er stieß sich ab und schwamm ebenfalls mit kräftigen Stößen in die Lagune hinaus. Das lauwarme Wasser strudelte um Brust und Hüften. Es war eine unbeschreibliche Empfindung, ganz anders, als es durch Stoff zu spüren. Er fühlte sich, als ob er einen anderen Körper bekommen hätte.
    Pablo suchte eine seichte Stelle, setzte sich dort auf den Boden und begann, sich mit dem feinen Sand abzurubbeln, langsam und gründlich, von den Füßen bis zum Kopf. Schließlich rieb er sogar seine verfilzten Haare ein. Er schnupperte an seinen Armen. Ich rieche ganz anders, dachte er. Irgendwie neu. Er tauchte unter und spürte, wie der Sand sich von seinem Kopf löste. Ob alle Läuse und Flöhe, die ihn so gequält hatten, jetzt auch verschwunden waren? Allein diese Aussicht würde ein tägliches Bad rechtfertigen, selbst wenn tatsächlich die Haut dadurch dünner werden sollte.
    Er schwamm und tauchte und fühlte sich immer besser. Wenn er sich auf den Rücken drehte, sah er am Rand der Lagune über dem Unterholz vier gewaltige Palmen aufragen wie die Finger einer riesigen Hand. Sie sahen aus wie ein Wahrzeichen. Er drehte sich wieder um und schlug mit Armen und Beinen um sich, dass das Wasser spritzte. Ob es eine Sünde war, sich ohne Kleider so wohl zu fühlen? Aber vielleicht hatte Señor Méndez Recht? Vielleicht war hier wirklich das Paradies? Adam und Eva hatten schließlich auch keine Kleider getragen.
    Er schwamm hinter dem Mädchen her. Sie hatte jetzt die Lagune verlassen und stand aufrecht in der Brandung, überschüttet von Gischt, mal unter einem Brecher verschwindend, dann bis zu den Knien nackt, ehe die nächste Welle kam. Pablo traute sich nicht aus dem schützenden Wasser. Es war doch etwas anderes, an Adam zu denken oder selbst einer zu sein.
    »Wie heißt du?«, schrie er, um den Lärm der Brandung zu übertönen.
    Sie drehte sich um und lief auf ihn zu. Ihre winzigen Brüste hüpften. Pablo schluckte. Sie war so klein und schmal wie ein Kind, dabei nicht mager, sondern mit muskulösen Armen und Beinen. Der Wind hob ihre langen Haare hoch, sie schwebten wie ein wehender Mantel hinter ihr her.
    Sie sprang neben ihm ins Wasser und lachte ihn unbefangen an. »Anacaona. Mein Vater ist Ameyro. Und du heißt Pahbloh, das weiß ich.« Sie sprach seinen Namen so weich und gedehnt, dass er wie ein Lockruf klang.
    »Schwimmst du jeden Morgen hier?«
    Sie nickte. »Jeden Morgen. Und abends auch. Jetzt muss ich zurück.«
    Sie glitt wie ein Fisch durchs Wasser. Pablo bemühte sich, neben ihr zu bleiben. Er war der beste Schwimmer aller Sevillaner Gassenjungen gewesen, aber sie hängte ihn mühelos ab. Er keuchte hinter ihr her, bis ihm einfiel, dass er nackt war, da wurde er schlagartig langsamer. Sie war längst verschwunden, als er seine halb trockenen Kleider vom Strauch nahm und sie anzog.
    Nachdenklich ging er über den schmalen Pfad zurück zum Dorf. Mit welchem Vorwand könnte er wohl morgens und abends allein zur Lagune gehen? Er lachte laut auf, als einer der grauen Papageien auf seinem Arm landete. Natürlich! Er würde für Fernan auf Papageien-Suche gehen. Und weil das eine Überraschung für ihn werden sollte, würde er nur Kapitän Méndez davon erzählen und ihn bitten, Fernan in dieser Zeit Nachhilfeunterricht in Indianisch zu geben. Er hatte zwar viel gelernt während ihrer Wanderung über die Insel, sprach aber noch immer nicht fließend. Je mehr Dolmetscher sie hatten, desto besser.
    Aber diese Ausrede hielt nur zwei Tage. Am dritten hatten die Untertanen des Königs so viele Lebensmittel gesammelt, dass zwei große Kanus gefüllt werden konnten. Der König gab seinem spanischen Bruder noch acht Ruderer mit, die sich in den Küstengewässern auskannten und sicher in der Bucht von Santa Gloria landeten, wo die Capitana und die Santiago halb im Sand versunken lagen. Die Gestrandeten hatten inzwischen

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