Das Gold des Gladiators
schützendes Dach, und einige Mehlfässer dienten ihnen als Sitzgelegenheit.
»Was wollt ihr wissen?« Elmar beherrschte das übliche Latein wohl nicht so gut oder fand Gefallen daran, sich in seiner eigenen Sprache zu unterhalten, und so war es Ingwar, der ihm die Fragen stellte. Er übersetzte die Antworten aber sogleich seinen beiden Freunden, die also erfuhren, dass Globulus etwa zur gleichen Zeit wie Elmar von dem Bauunternehmer Hirsutus Honestus aus einem Kontingent chattischer Kriegsgefangener aufgekauft worden war. Zwar stammten die beiden Männer aus derselben Gegend Germaniens, waren sich aber bis zu diesem Zeitpunkt noch nicht begegnet. Die ersten Monate waren hart, die Arbeit ungewohnt, kaum einer verstand ein Wort von den Befehlen, die ihnen beständig in die Ohren gebrüllt wurden, vom Maurerhandwerk verstanden die zu stolzen Kriegern erzogenen Germanen erst recht nichts, und die Peitsche hinterließ oft genug blutige Striemen auf ihren Rücken.
»Es wurde besser, nachdem der Aufseher vom Gerüst gefallen war und sich das Genick gebrochen hatte«, kommentierte Elmar diesen Zeitabschnitt. Ingwar unterließ rücksichtsvollerweise die Frage, ob es sich dabei um einen bedauerlichen Unfall gehandelt habe. »Der neue Aufseher war verständiger. Er suchte einen von uns, der beide Sprachen verstand, und übermittelte seine Befehle so, dass wir zumindest verstehen konnten, was von uns verlangt wurde. Albin – euer Globulus – schnappte schneller als wir anderen die Wörter auf und konnte sich bald mit den Römern verständigen. Er war ein geselliger Kerl und machte sich schnell Freunde. Außerdem war er stark und geschickt. Einige von uns verachteten ihn dafür, denn sie meinten, er habe seinen Stolz aufgegeben, um sich gewisse Annehmlichkeiten zu erarbeiten. Es gab – mh – Auseinandersetzungen.«
»Schlägereien!«
»Nun ja. Aber allmählich merkten wir, dass es nützlich war, sich mit ihm gut zu stellen. Von Stolz alleine wird man nicht satt, versteht ihr.«
Khep verstand und schlüpfte in die Schenke. Mit einem Ziegenkäse, eingelegten Oliven, einem Stück geräucherten Fisch und flachen Broten kam er zurück.
»Das ist gut, teilt das Mahl mit mir!«, sagte Elmar und langte zu.
»Gab es denn unter den Arbeitern einen Blinden, Elmar? Oder einen Angehörigen, der sein Augenlicht verloren hat?«, wollte Ingwar wissen und biss in sein Brot.
»Nein, Jungs. Man kann nicht blind auf dem Gerüst herumklettern.« Elmar spuckte gezielt einen Olivenstein in die Hofecke und kaute nachdenklich an einem Brotkanten. »Aber es gab einen Vorfall, in den Albin verwickelt war. Als wir am Odeion arbeiteten. Ist etwa zehn Jahre her. Möglicherweise . . . Nun ja, Ätzkalk ist ein gefährlicher Stoff.«
»Was ist Ätzkalk?« Titus war zwar in philosophischen und literarischen Themen wohl bewandert, Bautechnik hatte ihn noch nie interessiert. Elmar erklärte und Ingwar übersetzte.
»Es ist gebrannter Kalk, den man mit Sand vermischt. Mit Wasser zusammen ergibt es das opus caementum 33, mit dem wir die Steine miteinander verbinden. Dieser Kalk wird in großen Bottichen gelagert, und das Schicksal wollte es, dass einer umkippte und Pompeijanus, den Aufseher, unter sich begrub.«
»Schicksal?« Diesmal konnte Ingwar die Frage nicht unterdrücken.
»Ja, tatsächlich Schicksal. Die Wanne war nicht richtig gelagert. Albin stand in der Nähe, er zog den Aufseher unter dem Zeug hervor und tunkte ihn in eine Wassertonne. Aber Ätzkalk verbrennt die Haut, und der Mann hatte davon einiges in die Augen bekommen. Wir sahen ihn auf der Baustelle nie wieder.«
»Pompeijanus, sagtest du?«
»So hieß er.«
Die Jungen sahen sich vielsagend an. Flavius hatte einen Marcus Pompeijanus erwähnt. Sie versuchten, noch irgendetwas mehr über diesen Mann herauszufinden, aber das Schicksal eines Aufsehers interessierte naturgemäß einen Arbeitssklaven ziemlich wenig. Elmar konnte ihnen zwar noch die Namen anderer Männer nennen, die damals an demselben Bauwerk mitgearbeitet hatten, wusste aber wenig über ihren Verbleib. Einige hatten sich freigekauft, andere waren verstorben, waren weiterverkauft oder wegen ihrer Vergehen in die Arena geschickt worden.
Nicht ganz zufrieden verabschiedeten sich Ingwar, Titus und Khep von Elmar und kehrten zur Therme zurück.
13. Plautus rechnet ab
Senator Licinius Sura war beeindruckt von der herzbewegenden Geschichte, wie der edelmütige germanische Gefangene den römischen Aufseher gerettet hatte.
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