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Das Gold von Karthago

Titel: Das Gold von Karthago Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gisbert Haefs
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Tempeltal geben, mit Löwen und Wölfen und anderen Tieren, die … bei denen nachts der Stein schmilzt, aus dem sie sind, und dann werden sie Fleisch und Blut und ziehen umher.«
    Laetilius lachte meckernd. »Blutsauger? Gestaltwandler? Greifen? Was denn, Qadhir?«
    »Eine Sphinx soll auch dabeisein.«

    Bomilkar legte eine Hand auf die Schulter des offenbar besorgten Mannes. »Ich weiß von nichts, habe nie etwas gehört. Tempel gibt es bestimmt – aber glaubst du, Hamilkar bringt sein Leben und das seiner Leute in Gefahr, absichtlich? «
    Qadhir nickte. »Das glaube ich, Herr. Ist es denn nicht Aufgabe eines großen Kriegers, sein Leben und das seiner Kämpfer in Gefahr zu bringen?«
    »Das ist eine andere Gefahr. Keine… Zauberei.«
    Qadhir hob die Schultern, oder er zog den Kopf ein wie eine Schildkröte, die sich bedroht fühlt. »Wir werden sehen.«
    Beim Reden hatte Bomilkar die Augen schweifen lassen, um einen Eindruck von der Stadt zu bekommen. Irgendwie verstand er, daß der Ort Anlaß zu düsteren Gerüchten gab. Alles war wie geschwärzt, finster, von Licht und Hitze zu Dunkelgrau verschmort. Es war nicht nur der Dreck, der bei ungünstigen Winden von den Schmelzen herüberwehte; die Gebäude waren von Ruß und anderen Dingen überkrustet, gepanzert. Unter den Hufen der Pferde knirschte das Pflaster, als bestünde es aus bröckelnden Muschelschalen.
    Aber das war es nicht. Etwas anderes … Bomilkar konnte es nicht benennen. Sie ritten durch die Stadt, in der mindestens dreißigtausend Menschen lebten; sie sahen im Abendzwielicht, nur hier und da durch Fackeln aufgehellt, Leute vor den Häusern sitzen, reden, lachen, trinken, wie überall. Nichts an ihnen war ungewöhnlich, abgesehen von den aufgetürmten Haaren einiger Frauen und den kreisförmigen Schnecken, zu denen andere ihr Haar rechts und links vom Kopf gewunden hatten.
    Die Häuser? Bomilkar legte den Kopf in den Nacken. Alte Häuser mit Fensteröffnungen wie Augenhöhlen eines Verbrechers, den man geblendet hat. Eingänge wie Mäuler, die Türrahmen die Lippen, hinter denen die Zähne auf unvorsichtige Eindringlinge warteten. Geschwärzter Stein
die Untergeschosse, darüber, zurückweichend wie Treppenstufen, weitere Stockwerke aus Nachtholz und Düsterziegeln. Uralte bösartige Gemäuer.
    Er seufzte. Eigentlich kam er sich zu alt vor, um derlei Unfug zu denken. Aber etwas sickerte aus den schwarzen Steinen von Kastulo. Etwas, das ihn nicht bedrohte; jedenfalls fühlte er sich nicht gefährdet. Es war jedoch etwas, das unerfreulich war, alt, nicht heute böse, aber lange Zeit böse gewesen und vielleicht imstande, morgen wieder bösartig zu werden. Ein altes, scheinbar gezähmtes Raubtier.
    Die Straße wurde enger, zwischen Häusern, die aneinandergelehnt und vornübergebeugt standen; gerade voraus öffnete sich ein Platz, auf dem Pfosten Fackeln trugen. Bomilkar fragte einen Mann, der in einem Eingang stand, ob dies der Große Platz sei; er erhielt ein Nicken zur Antwort, dann gebleckte Gaumen ohne Zähne und ein schrilles, fast wieherndes Lachen. »Der Platz«, keuchte der Alte. »Ah, der Platz, auf dem sie töten. Sie töten!«
    »Wer tötet, alter Mann?« sagte Laetilius; der Greis hatte die auf Punisch gestellte Frage auf Hellenisch beantwortet.
    »Alle. Alle werden getötet, die Widerstand leisten.«
    »Widerstand? Gegen wen?«
    »Die Söhne der Wölfin.«
    Eine Frau tauchte aus dem Eingang auf und zog den Alten ins Haus.
    »Die Söhne der Wölfin?« Bomilkar warf Laetilius einen Blick zu, als sie weiterritten. »Klingt nach deinen Leuten, oder?«
    »Vielleicht meint er Hamilkars Brut – wie nannte Daniel Hamilkars Frau: die Löwengebärende? Söhne der Löwin …?«
    »Ein wahnsinniger Greis oder ein Seher?« sagte Qadhir.
    »Bist du sicher, daß es da einen Unterschied gibt?«
    Laetilius machte tsk tsk mit der Zunge. »Du bist unfromm, o Bomilkar. Geziemt sich das für einen guten Karthager? «

    »Was geziemt sich schon? Ich glaube an den göttlichen Zufall, der sehr göttlich sein muß, wenn er als Entschädigung für deine Gesellschaft eine großartige Schänke bereithält.«
    Das Gasthaus des Kleomenes lag am Ende einer Straße, die zum Hang des befestigten Hügels führte. Es war weit mehr als eine Schänke; drei zweistöckige Gebäude – eines zur Straße hin, mit überbautem Durchgang an der Seite – umgaben einen Hof mit Brunnen und Arkaden. Am Ende des Hofs lagen einzelne Schuppen, Pferche und Ställe, dahinter stieg der

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