Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Das Gold von Karthago

Titel: Das Gold von Karthago Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gisbert Haefs
Vom Netzwerk:
Reiterführer. Er kann auch in Numidien für mich handeln. Notfalls Dinge anordnen oder unterschreiben.«
    »Wer ist es?«
    »Hannibal.«
    »Dein Sohn? Aber… der ist doch noch ein Junge.«
    »Er ist ein Mann«, sagte Rushan, mit einem seltsamen Unterton. »Du warst ein paar Jahre weg, Bomilkar. Er ist jetzt siebzehn. Und er hat ein gewisses… Anliegen. Eine Fürstentochter, die auch im Tempel ist.«

11. KAPITEL
    D er Aufbruch war so hastig, daß Bomilkar nicht dazu kam, länger über die Miene des Römers nachzudenken – Verblüffung, Ärger, Vorfreude? Es gelang ihm auch nicht, Qadhir zu befragen, der erst spät in der Festung auftauchte und von sich aus nichts unternahm, um unbelauscht mit ihm zu reden. Er bemerkte lediglich, daß Laetilius ein langes Schwert im Gepäck hatte, offenbar von einem Schmied in Kastulo erstanden.
    Drei Stunden vor Sonnenuntergang brachen sie auf: dreihundert numidische Reiter, fünfhundert Iberer, etliche punische Offiziere und Hannibal, der die nicht zur Truppe Gehörenden mit einem wortlosen Nicken begrüßte – außer Rushan; ihr gab er einen Kuß auf die Wange.
    Alle hatten neben ihren Waffen, den ledernen Wasserflaschen und kargen Vorräten Seilrollen dabei, über deren Sinn Bomilkar nicht lange grübelte; er würde es früh genug erfahren. Irgendwie waren die zwei Jahre des Dienstes als Hüter der Ordnung in Qart Hadasht vom Abendwind verweht. Er war Reiter unter Reitern, Krieger unter Kriegern. Er ertappte sich dabei, daß er wie besinnungslos vor sich hin grinste; am liebsten hätte er gejohlt.
    Hannibal saß auf einem schwarzen Hengst, und er ritt weit vorn, erster hinter dem Spähtrupp. Solange es hell genug war, legte man eine gute Strecke im Galopp zurück; Bomilkar war wie die übrigen Nichtkrieger (oder, in seinem Fall, Nicht-mehr-Krieger) zu sehr damit beschäftigt, auf der Satteldecke zu bleiben und nichts zu verlieren, als daß er hätte versuchen können, mit Laetilius oder Qadhir zu sprechen. Beide hielten sich, wie er bald feststellte, weit voneinander fern – Absicht? Zufall des Ritts?

    Bei Sonnenuntergang erreichten sie ein weites, üppiges Tal, wo ein paar Dutzend Männer eine kleine Festung und eine große Pferdeherde bewachten. Es gab keine Rast, nur einen Pferdewechsel; von einem der Offiziere erfuhr Bomilkar dabei, daß sie einen Umweg gemacht hatten – »eine Wegstunde mehr, aber frische Pferde, die den Rest der Strecke besser schaffen.«
    Hannibal brauchte keine Befehle zu geben; die anderen gehorchten seinen Blicken und knappen Fingerzeigen. Die Truppe mußte sehr gut eingespielt sein, und nicht einer der achthundert Männer schien auch nur einen Atemzug lang an ihm und seiner Führung zu zweifeln. Einige aßen und tranken beim Reiten, andere nahmen sich ein wenig Zeit beim Pferdewechsel: absitzen, Deckengurt öffnen, Reitdecke aufs neue Pferd werfen, festschnallen, essen, trinken, zur Latrine oder hinter den nächsten Busch, aufsitzen, weiter. Die Flackerlichter des Sonnenuntergangs beleuchteten ein weit auseinandergezogenes Reiterheer; sie mußten auf den immer schmaleren Bergwegen hintereinander reiten, und wie durch ein Wunder – oder durch längst erteilte Befehle – bildeten sich scheinbar zufällige Gruppen mit jeweils einem Offizier oder Kundschafter, der das Ziel kannte.
    Irgendwann endete jeder Weg; unter dem klaren, kalten Licht der Sterne und des unvollständigen Monds arbeiteten sich keuchende, schnaufende Pferde Geröllhänge hinauf, Grate entlang, und nichts zu hören und zu sehen außer den eigenen Geräuschen, dem Poltern losgerissener Steine, dem unwegsamen Malmen des Steinmeers der Berge. Zweimal gellten Todesschreie durch die Nacht, als Pferde und Reiter den Halt verloren und in die Schwärze einer Schlucht stürzten.
    Bomilkar hatte längst nicht mehr nach den Sternen geschaut; mit bebenden Beinen klammerte er sich auf dem schwitzenden, keuchenden Tier fest. Plötzlich ritten sie in eine weiche, grasige Mulde, fast ein Tal, wo sich die langgezogene
Reitertruppe zu sammeln begann. Hannibal war abgestiegen, ließ das Pferd grasen, wandte sich an einige seiner Männer, deutete auf einen steilen Hang am Ende des kleinen Tales. Dann hob er den rechten Arm; im Sternenlicht blitzten seine Zähne. Er drehte sich um und begann, den Hang zu erklimmen.
    Offiziere liefen hin und her, gaben Anweisungen. Die ersten Reiter, abgesessen, Waffen über der Schulter und die aufgerollten Seile um die Hüften, folgten dem Sohn des Barkas. Bomilkar

Weitere Kostenlose Bücher