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Das Gold von Karthago

Titel: Das Gold von Karthago Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gisbert Haefs
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alles diente.
    »Wenn es überhaupt einen Zweck hat und nicht bloßer Zufall ist«, sagte Laetilius eben.
    Hamilkar nickte. »So oder anders. Noch etwas?«
    Laetilius hatte keine weiteren Fragen; Bomilkar erhob sich von dem Schemel, auf dem er gesessen hatte.
    »Herr«, sagte er, »wir danken für die kostbare Zeit. Sollte einem von uns noch etwas einfallen …«
    »Ich bin hier oder in der Nähe. Sicherlich noch zwei Tage.«
    Das Zelt des Strategen stand in der Mitte der Festung, die den Zugang zum Tal der Silbergrube hütete, aber nicht
groß genug für viele zusätzliche Männer und Bauwerke war. Als sie Hamilkar verließen, wand der Punier, der sie geleitet hatte, wieder das helle Tuch um Laetilius’ Kopf. Bomilkar nahm den Römer am Arm und lenkte ihn durch das Gedränge.
    »Gibt es hier etwas, was zu sehen mich begeistern würde?« sagte Laetilius. Es klang höhnisch.
    »Ich kenne dich nicht gut genug, um zu wissen, welche Dinge deine Begeisterung auslösen. Ich glaube aber, zwei oder drei Anblicke könnten dich dazu bringen, vor Wonne zu kreischen.«
    Laetilius gluckste. »Sei doch so gut, sie mir zu beschreiben. «
    Bomilkar sah sich um. Die Festung bestand außen aus einem Graben und hohen Palisaden; innen drängten sich Holzgebäude aneinander, die noch im Lauf des Jahres von dauerhaften Häusern aus Stein, Ziegeln und Balken ersetzt werden sollten. All dies hatte Laetilius von außen bereits gesehen, zumindest teilweise; eigentlich war die Umwicklung der Augen sinnlos, aber die Befehle kamen von oben. Während er Laetilius an Pfützen und Stapeln vorbeilenkte, beschrieb Bomilkar ihm halblaut die Annehmlichkeiten des Orts. Der punische Offizier, der neben ihnen ging, kicherte dazu. Ein Brett über dem Rinnsal, das von der Großküche zu den Latrinen führte, war eine marmorne Brücke, kühn geschwungen, mit vergoldetem Geländer; der hölzerne Altar, an dem die Opfer für Melqart und die zweifellos ebenso wichtigen iberischen und numidischen Gottheiten der einzelnen Truppenteile vollzogen wurden, gedieh zum mächtigen Tempel mit blauroten Bildnissen am vorderen Giebel; die Latrinen am Rand (eine stinkende Grube unter Sitzbalken von zweifelhafter Festigkeit) stellten kostbar ausgestattete Bäder dar.
    Etwas anderes beschrieb Bomilkar nicht. An einer Stelle, wo niemand sie genau beobachten konnte, zog der Offizier, immer noch kichernd, eine Silbermünze aus der Gürteltasche
und hielt sie ihm zur Ansicht hin; dabei legte er den Zeigefinger der linken Hand auf die Lippen. Bomilkar nickte, ohne seinen erfindungsreichen Vortrag zu unterbrechen.
    Es war ein glänzender neuer Doppel shiqlu , mit dem bärtigen Melqart auf der Vorderseite. Die Ähnlichkeit des Gottes mit Hamilkar war verblüffend – bis auf eine Einzelheit: die Nase. Durch eine Unsauberkeit im Prägestock oder eine Verwerfung im Silber war dort eine gewaltige Beule, eine ungeheure Warze. Der Offizier drehte den shiqlu um, zeigte Bomilkar die Rückseite – Pferd und Palme –, steckte ihn wieder ein und räusperte sich.
    »Nur ungern störe ich deine Ausführungen, aber wir sind am Tor.« Er langte nach dem Knoten an Laetilius’ Hinterkopf.
    »Es ist gut.« Bomilkar zwinkerte ihm zu. »Manche Dinge, die man sieht, muß man verschweigen, und manche Dinge, die ein anderer nicht sehen kann, muß man durch Geschwätz vergrößern. Das ist eben so.«
    Als sie außerhalb des Tors standen, löste der Offizier den Knoten und steckte das Tuch in den Gürtel. »Ich danke für dein Verständnis, Römer.«
    Langsam gingen sie zurück zur Schänke des Kleomenes; dabei besprachen sie, was kaum zu besprechen war. Beide waren sich einig darin, daß die Reise nach Iberien unergiebig gewesen war – bis jetzt, und kaum Aussicht auf bessere, handgreifliche Dinge in den verbleibenden Tagen. Lavinius war durch Iberien gereist, hatte Dinge und Menschen beobachtet, hier und da einen guten Eindruck hinterlassen, offenbar Bewunderung für Hamilkar bekundet und sich als dessen Freund betrachtet, was Hamilkar für übertrieben hielt. Nichts enthielt auch nur den geringsten Hinweis auf Gründe für den Mord – vom folgenden Mord an Tuzut nicht zu reden, noch weniger von den seltsamen Befehlen der zuständigen Ratsherren in Qart Hadasht. Und Bomilkars dunkles Gefühl, daß die Gulussa-Sache irgendwie
mit allem zusammenhängen könnte, war keineswegs erhellt worden.
    Hinzu kam für ihn, daß er einige Dinge wußte, die Laetilius nicht wissen sollte. Der Offizier hatte

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