Das Gold von Sparta
vier Inseln des Archipel du Friaul.
Sam und Remi waren bisher dreimal gemeinsam in Marseille gewesen, das letzte Mal vor ein paar Jahren, als sie in die Camargue unterwegs waren. Jedes Jahr am 24. und am 25. Mai versammeln sich im nahe gelegenen Saintes-Maries-de-la-Mer bis zu zwanzigtausend Gitans aus West- und Osteuropa, um der Schwarzen Sara, ihrer Schutzpatronin, mit einer feierlichen Prozession und einem ausgelassenen Fest zu huldigen.
Die Fargos beendeten ihr Frühstück, bestellten ein Taxi und nannten dem Fahrer eine Adresse im Panier, einem mittelalterlich anmutenden Wohnviertel mit dicht an dicht gebauten pastellfarbenen Häusern zwischen dem Rathaus und der Vieille Charité. Wolfgang Müller wohnte in einem zweistöckigen gelben, mit weißen Fensterläden ausgestatteten Apartment in der Rue de Cordelles. Eine blonde Frau Mitte zwanzig öffnete die Tür, nachdem sie geklopft hatten.
»Bonjour« , sagte Sam.
»Bonjour. «
»Parlez-vous anglais!«.
»Ja, ich spreche Englisch.«
Sam stellte sich und Remi vor. »Wir möchten zu Monsieur Müller. Ist er zu sprechen?«
»Ja, natürlich. Darf ich erfahren, um was es geht?«
Sie hatten sich bereits darüber unterhalten und entschieden, dass absolute Offenheit wohl der beste Weg sei. Daher erwiderte Remi: »Wir möchten uns mit ihm über das UM-77 und die Lothringen unterhalten.«
Die Frau legte den Kopf leicht schräg, während sich ihre Augen verengten. Es war eindeutig: Ihr Großvater musste ihr von dieser Zeit im Krieg erzählt haben. »Einen Moment, bitte.« Sie ließ die Tür offen, entfernte sich durch einen Flur und verschwand an seinem Ende um die Ecke. Für eine Minute hörten sie gedämpfte Stimmen. Dann erschien die Frau wieder. »Bitte, kommen Sie. Mein Name ist Monique. Hier entlang, bitte.«
Sie geleitete sie in ein geräumiges Zimmer, in dem Müller in einem Schaukelstuhl vor einem Fernseher mit ausgeschaltetem Lautsprecher saß. Auf dem Bildschirm lief die französische Version des Weather Channel. Der Mann trug eine graue, bis zum Hals zugeknöpfte Strickjacke und auf seinem Schoß lag eine blau-gelb karierte Wolldecke.
»Guten Morgen«, wünschte er ihnen mit erstaunlich kräftiger Stimme und deutete mit zitternder Hand auf eine mit Blumen gemusterte Couch, die ihm gegenüber stand. »Bitte, nehmen Sie Platz. Darf ich Ihnen einen Kaffee anbieten?«
»Nein, danke«, lehnte Remi freundlich ab.
»Monique erzählte mir, Sie hätten Ilsa gefunden.«
»Ilsa?«, fragte Sam irritiert.
»So habe ich das UM -77 genannt. Nach meiner Frau. Sie kam ein paar Monate, nachdem wir Bremerhaven verlassen hatten, bei dem Bombenangriff auf Dresden ums Leben. Haben Sie sie in der Höhle auf Rum Cay gefunden?«
Remi nickte. »Wir haben uns dort ein wenig umgeschaut und sind durch Zufall auf den Eingang gestoßen. Sie lag dort auf Grund, und zwar in einem nahezu tadellosen Zustand.«
»Ist sie noch dort?«
Sam lächelte. »Na ja, schon, aber nicht mehr so richtig. Es gab ein … Problem. Wir mussten Ihre Ilsa als eine Art Rettungsinsel benutzen.«
»Ich verstehe nicht.«
»Der Haupteingang der Höhle stürzte ein. Wir haben uns mit dem UM-77 …«
»Ilsa.«
»Wir haben uns mit Ilsa den unterirdischen Fluss hinuntertreiben lassen und sind dann durch eine andere Höhle ins Freie gelangt.«
Müller bekam große Augen und lächelte. »Das ist erstaunlich. Das freut mich außerordentlich, dass sie so sinnvoll genutzt wurde.«
»Wir haben veranlasst, dass das U-Boot in die Vereinigten Staaten transportiert wird. Wenn Sie es wünschen, lassen wir es …«
Müller schüttelte den Kopf. »Das ist sehr nett von Ihnen, aber nein. Behalten Sie sie und halten Sie sie gut in Schuss.« Er lächelte und drohte ihnen spielerisch mit dem Finger. »Irgendeine Stimme sagt mir aber, dass Sie nicht nur hergekommen sind, um mir dies zu erzählen.«
»Wir haben außerdem das UM-34 gefunden.«
Jetzt lehnte sich Müller nach vorn. »Und Manfred?«
»Captain Böhm war noch an Bord.« Sam berichtete, wie sie das U-Boot entdeckt hatten, erwähnte jedoch Bondaruk oder Cholkow mit keinem Wort. »Die Behörden sind soeben dabei, das Boot zu bergen.«
»Mein Gott … Das Wetter hat uns ständig Sorgen bereitet. Diese U-Boote waren einfach nicht für das offene Meer gebaut.« Müllers Blick wanderte für einige Sekunden in die Ferne, dann blinzelte er und kehrte wieder in die Gegenwart zurück. »Manfred war ein guter Freund. Es hat mir keine Ruhe gelassen, dass ich niemals
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